Gerresheim Gebühr für Straßenreinigung vervielfacht

Gerresheim · Die Nachbarn rund um den Kamper und Saalfelder Weg müssen plötzlich statt rund 50 Euro mehr als 400 Euro zahlen.

Aus allen Wolken sind Ingrid Bone und ihr Lebensgefährte Kurt Viol gefallen, als sie den Brief der Stadt öffneten und die neue Berechnung für die Straßenreinigung sahen. Um die 50 Euro haben die beiden bisher immer bezahlt, "jetzt sollen es plötzlich 414 Euro sein", sagt Viol - ohne Vorwarnung, ohne Ankündigung hat sich die Summe verachtfacht. An einen Scherz dachten die beiden erst, fragten dann bei den Nachbarn rum. Und auch bei ihnen ist eine saftige Gebührenerhöhung ins Haus geflattert. Josef Hornung wohnt gleich im Haus nebenan am Kamper Weg, er soll statt 57 jetzt 364 Euro zahlen, Wolfgang Jambon, der auf der anderen Seite des Paars Bone/Viol ein paar Häuser weiter lebt - am Saalfelder Weg - soll 380 statt 24 Euro zahlen. Mehr als 15 Mal so viel wie vorher.

Der Grund für die Erhöhung ist laut der Stadtverwaltung, dass in die Berechnung nun auch die sogenannten Hinterliegermeter einfließen, die nicht direkt an der Straße liegen. Dadurch kommt es zu der deutlichen Erhöhung der Gebühr. Natürlich hatten alle sofort Einspruch eingelegt, alle haben das gleiche Schreiben zurückbekommen. "Bei der Stadt beruft man sich auf Paragrafen", sagt Jambon. Die Gerresheimer haben neben einer Belehrung über die Grundlagen der Berechnung alle einen Auszug aus dem Katasterplan erhalten.

Beim Vergleich mit den Nachbarn hat Ingrid Bone erkannt, dass sie die meisten Hinterliegermeter zahlt, dazu kommen Garage und Stellplatz. "Manche haben den Stellplatz vor ihrem Grundstück, müssen dafür dann nicht zahlen, für andere gilt ein Festpreis", sagt die 62-Jährige, "hier ist ein riesen Kuddel-Muddel."

Einen Anwalt haben Ingrid Bone und Kurt Viol eingeschaltet, der den Gebührenbescheid auf seine Rechtmäßigkeit hin überprüfen sollte. "Er ist leider rechtmäßig", schrieb der Jurist an das Paar in einer E-Mail. Offenbar haben die Gerresheimer sogar Glück gehabt, dass ihnen nichts nachberechnet wurde.

Dass Gebühren gerecht und gleichmäßig in einer Nachbarschaft aufgeteilt werden, das ist für Wolfgang Jambon selbstverständlich. "Dass wir aber der Willkürlichkeit eines Sachbearbeiters ausgesetzt sind", das kann der 74-Jährige nicht verstehen. Vielmehr haben Jambon, Viol, Bone und Hornung das Gefühl, dass die Stadt dringend Geld braucht und "nun auf absonderliche Ideen kommt", sagt Jambon. Eine Anfrage unserer Redaktion bei der Stadtverwaltung zu dem Vorgang ist bisher unbeantwortet geblieben.

Für Johann Werner Fliescher von Haus und Grund sind die Gebührenerhöhungen rund um den Kamper Weg kein Einzelfall. "Straßenreinigungsgebühren für Hinterliegermeter sind für die Bürger ein Graus. Sie müssen zahlen, ohne überhaupt eine Reinigungsleistung zu erhalten", sagt der Jurist, "jahrelang war der Schlendrian drin." Das habe wenig mit Gebührengerechtigkeit zu tun gehabt. Wenig Chancen sieht der Experte für das Paar Bone/Viol und ihren Nachbarn Josef Hornung, zu nah liegen ihre Häuser am Kamper Weg, mindestens 60 Meter müssten sie von der Hauptstraße entfernt sein, um den Gebührenbescheid anzufechten. Aber das Oberverwaltungsgericht Münster hatte - entgegen der Auffassung der Stadt und des Verwaltungsgerichts Köln - vor sieben Jahren klargestellt, dass ein Weg von rund einem Meter Breite nicht ausreichend ist, um den für die Erhebung von Straßenreinigungsgebühren erforderlichen Erschließungszusammenhang zu begründen. Ähnlich ist auch der Weg vor den Türen von Ingrid Bone, Kurt Viol und Josef Hornung beschaffen.

In einem anderen Fall in Gelsenkirchen ein Jahr später ist eine Klage eines Eigentümers abgewiesen worden, mit der Begründung, dass eine knapp 70 Meter lange private Zuwegung keinen eigenständigen Erschließungscharakter aufweist und den Erschließungszusammenhang zu der gereinigten Straße nicht unterbricht. Schwierig ist die Rechtslage also, auch für die Anwohner.

Für Wolfgang Jambon sieht die Sache ein bisschen anders aus. Er ist über den Saalfelder Weg erschlossen, der in einem Wendehammer endet. "Natürlich berechnet die Stadt gerne die lange Seite des Grundstücks", sagt Fliescher, "weil das mehr Geld bringt. Da werden oft juristisch fragwürdige Bescheide erstellt. Verwunderlich sind die 2018 erneut über der Inflationsrate gestiegenen Gebühren, obwohl immer mehr Hinterliegermeter in die Gebührenberechnung einfließen." Leider hätten die Anwohner schon einen ablehnenden Widerspruchsbescheid erhalten, "jetzt hilft nur noch klagen", sagt Fliescher.

(RP)
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