Gerresheim Experiment geglückt

Gerresheim · Rund um die Heinrich-Könn-Straße in Gerresheim entstand vor mehr als 20 Jahren ein Wohngebiet, wie es kein zweites in Düsseldorf gibt. Arm und Reich leben nebeneinander, viel Grün und anspruchsvolle Architektur prägen das Bild.

Niklaus Fritschi macht so schnell niemand etwas vor. Er ist Architekt mit Jahrzehnte langer Erfahrung, unter anderem der Ausbau der Rheinuferpromenade geht auf sein Konto. Der Professor kann angesichts ihm immer wieder mal entgegenschlagender Ignoranz bisweilen aber nur mit dem Kopf schütteln. Ein Beispiel: Das Wohngebiet an der Heinrich-Könn-Straße, der Paul-Pieper- und Ursula-Trabelski-Straße genießt international Modellcharakter. "Nur in Düsseldorf nicht", sagt Fritschi.

Das ärgert ihn nicht zuletzt, da er selbst an der Heinrich-Könn-Straße einen eindrucksvollen farbigen Akzent gesetzt hat: knallrot und leuchtend blau, mit einem Turm. Duplo-Häuser haben die Nachbarn das Ensemble getauft. "Sehr schön, aber unverkäuflich", habe der Auftraggeber, die Gagfah aus Essen, damals geurteilt. "Da habe ich gelogen", so Fritschi. Fünf Interessenten habe er schon an der Hand, "es waren aber nur drei". Er selbst sei bereit, in den Turm einzuziehen, "dabei wusste ich gar nicht, ob mein Geld reicht".

Es reichte am Ende, und Fritschi zählt heute zu den rund 2400 Bewohnern des aufgrund seiner Entstehungsgeschichte und Zusammensetzung einmaligen Viertels in Düsseldorf. Arm wohnt neben Reich, je zu einem Drittel gibt es sozialen Mietwohnungsbau, Eigentumswohnungen sowie Ein- und Zweifamilienhäuser. Die Architektur ist ebenso anspruchsvoll wie abwechslungsreich, es mangelt nicht an Grün und nachbarschaftlichem Engagement, mehrere Wohngruppen stehen für unterschiedliche Wohnprojekte.

Ziemlich genau so sollte es auch werden, als vor 30 Jahren die Idee Gestalt annahm, auf dem 21 Hektar großen Acker südlich der Bergischen Landstraße das etwas andere Wohngebiet zu entwickeln. Im Planungsamt der Stadt maßgeblich an der Konzeption beteiligt war Ellen Schneiders, die heute oft Führungen, insbesondere für ausländische Fachleute, leitet, es zum damaligen Zeitpunkt aber schwer hatte, sich intern mit ihren Visionen durchzusetzen. "Ich hatte mehrfach Angst, dass alles den Bach runtergeht", erzählt die Ingenieurin, als sie jetzt auf Einladung der Grünen die vergangenen drei Jahrzehnte noch einmal Revue passieren lässt.

Glück und Zufall haben mehrfach eine Rolle gespielt und zum Gelingen des Wohnprojekts beigetragen: Erfahrungen, die Schneiders in der Öko-Siedlung Laher Wiesen in Hannover sammelte, flossen in die Planung ein; Planungs-, Wohnungs- und Liegenschaftsamt kooperierten ämterübergreifend; und den Bauökonomen Klaus Novy konnte Schneiders zwar nicht ins Preisgericht des Wettbewerbsverfahrens loben, ihn aber doch zumindest als Sachverständigen durchsetzen.

Den ersten Preis gewann 1988 mit Bernd Strey ein völlig unbekannter Düsseldorfer Architekt. Bei einem Symposium wurde dann viel über Details diskutiert, doch was für Laien womöglich langweilig erscheint, bedingte letztendlich den Erfolg des Wohngebiets. Es wurde eine einheitliche Architektursprache formuliert, die eine städtebauliche Homogenität garantiert: "Harte Schale" mit einer Fassade aus Ziegeln zur Straße, "weicher Kern" mit nicht festgelegten Materialien zur Gartenseite hin. "Nicht alles konnte umgesetzt werden, etwa das geplante Blockheizkraftwerk, ein großer Anteil aber eben schon", sagt Ellen Schneiders.

Beim Mietwohnungsbau wurde statt auf einen großen auf mehrere Investoren gesetzt. Bei den Wohngruppen waren die Auflagen für die Bauherren hoch, alles musste umwelt- und sozialverträglich gebaut, die ökologischen oder generationsübergreifenden Sonderwünsche der einzelnen Familien gehört werden. Es gibt einen Park und einen Grünzug. Letzterer sollte für mehr Wohnraum aufgegeben werden. "Da habe ich mich gegen gestemmt. Daraufhin hat man mir das Gebiet entzogen", blickt Schneiders zurück. "Ein halbes Jahr gab es keinen Nachfolger, alles lag brach, da gab man mir den Posten zurück." Ab 1994 wurde gebaut. Schneiders hat ihre Vorstellung von "Neuem Wohnen" trotz jeder Menge Gegenwind durchgeboxt. "Das Experiment ist geglückt. Und nur so geht es, man muss an seine Idee glauben, im Leben wie in der Architektur", betont Fritschi. Rund um die Heinrich-Könn-Straße gibt es kaum Fluktuation. "Weil hier gelebt, nicht nur gewohnt wird", sagt Fritschi.

(RP)
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