Gerresheim Eine Freundschaft fürs Leben

Gerresheim · In den 60ern reiste Pfarrer Ernst Fengler zum ersten Mal in die damalige Tschechoslowakei, in wenigen Tagen knüpfte er er Kontakte mit den Böhmischen Brüdern und war fortan ihr Ansprechpartner im Rheinland.

 Die Medaille der Dankbarkeit hat Ernst Fengler verliehen bekommen. Fast 30 Jahre war er Pfarrer in Gerresheim. Bei seiner Arbeit wurde er immer von Ehefrau Margarete unterstützt.

Die Medaille der Dankbarkeit hat Ernst Fengler verliehen bekommen. Fast 30 Jahre war er Pfarrer in Gerresheim. Bei seiner Arbeit wurde er immer von Ehefrau Margarete unterstützt.

Foto: hans-jürgen bauer

Noch heute kippt seine Stimme, wenn er an die Bilder denkt, an die Menschen im Fernsehen, die sich in den Armen liegen, die feiern, die weinen, weil ihr Land endlich wieder eins ist. Seine Tränen hat er nicht vergessen, die er in den Augen hatte, als im November 1989 die Mauer geöffnet wurde. Sein Leben lang hat er mit Grenzen gelebt, musste 1945 aus Pommern und 1951 aus dem Osten flüchten und später immer achtgeben, was er von sich erzählt. Doch diese Erlebnisse haben Ernst Fengler zu dem gemacht, was er ist - zu einem Pfarrer nämlich, der fast 30 Jahre in Gerresheim arbeitete und nie so richtig in den Ruhestand gegangen ist, der Freundschaften mit den Tschechen in schweren Zeiten geschlossen hat, trotz Grenzen, trotz Gefahren und dafür jetzt ausgezeichnet wurde mit der Medaille der Dankbarkeit vom Synodalrat der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder in Prag.

Dass Fengler einmal Pfarrer werden würde, stand eigentlich schon früh fest. In der Oberstufe ist er geprägt worden von einem Pfarrer, der den Schülerkreis leitete, zu dem Fengler damals aufblickte, immer war er auf der Suche nach einer Vaterfigur, früh hat er einen Vater verloren. Im Sommer 1965 besuchte Fengler die damalige Tschechoslowakei auf der Suche nach einem möglichen Grab seines Vaters, der in den letzten Tagen des Krieges bei Prag ums Leben gekommen sein soll.

Ein paar Monate hatte Ernst Fengler zu diesem Zeitpunkt seinen Führerschein. Mit seinem VW fuhr er einfach los, "und dem naiven Gedanken, einen Soldatenfriedhof zu finden". Abenteuerlich ist die Reise gewesen, auf regennasser Straße hatte er schließlich einen Unfall. "Die Fahrt war zu Ende", erinnert sich der 79-Jährige, eine neue Vorderachse musste über Umwege in Deutschland bestellt werden, handvermittelt wurde der Kontakt mit Frankfurt aufgenommen. Fünf Tage musste Ernst Fengler warten - "aus dieser ersten Reise ist so viel gewachsen", sagt der Gerresheimer.

Die evangelischen Amtsbrüder lernte Fengler kennen, schloss Freundschaft mit Jugend-Arbeits-brigaden, die im Altvatergebirge im Wald arbeiteten - natürlich inoffiziell und verborgen vor den Augen der Behörden und der kommunistischen Partei. "Ein Mädchen fragte mich auf Englisch, was mein Beruf ist", erzählt Fengler, der kurz zögerte, weil er als Lehrer eingereist war, dann aber ehrlich Pfarrer sagte. Zu schlecht sei das Bild der evangelischen Kirche damals gewesen, auch Jahre später, als Fengler mit Jugendgruppen die Brigaden besuchte, fuhr er als Lehrer in den Osten - "irgendwie war ich aber auch immer ein Lehrer", sagt er. Im Gespräch mit dem Mädchen stellte sich heraus, dass ihr Vater auch Pfarrer ist, "das war der Anfang einer tollen Beziehung zu Tschechien", sagt Fengler.

Mit seiner Frau Margarete erlebte Ernst Fengler 1968 in Karlsbad den Einmarsch der russischen Truppen mit. Die vielen Verhaftungen auch von Pfarrern prägten den Gerresheimer, der fortan die Beziehungen zu Pfarrern in Tschechien intensivierte. "Westliche Veröffentlichungen habe ich mitgebracht", erzählt Fengler. Alles inoffiziell, heimlich. Einmal, als er mit Margarete und zwei seiner vier Kinder im Zug nach Tschechien saß, ist die ganze Familie verhaftet worden. "Zum Glück hatten wir an diesem Tag nichts bei uns." Bald ist Fengler zum inoffiziellen Verbindungsmann zwischen evangelischer Kirche im Rheinland und evangelischer Kirche der Böhmischen Brüder geworden. Und irgendwann war er es dann auch ganz offiziell. Von Gerresheim aus hat er das Altenheim in Krabcice nördlich von Prag mit vielen Hilfstransporten unterstützt. Betten und Matratzen gebracht.

Vor 17 Jahren ist Ernst Fengler schließlich in den Ruhestand gegangen, damals war der erste von sieben Enkeln unterwegs. "Die Arbeit hat sich verlagert", sagt Fengler, auch wenn der Kontakt zu den Tschechen nie abgebrochen ist. Neu-Griechisch hat Fengler in der Zwischenzeit gelernt, die kleinste Bühne Düsseldorfs erfunden - Fenglers Kellertheater -, eine Lesepaten-Gruppe für die Heye-Schule zusammengetrommelt. Stolz erzählt Fengler von der ehrenamtlichen Arbeit seiner Frau Margarete ("aus dem Grieschischen übersetzt heißt Margarete übrigens Perle", sagt Fengler), die die Gruppe Erik - kurz für Essen reichen im Krankenhaus - vor zehn Jahren gegründet hat. Seine Frau ist es auch gewesen, die ihm all die Jahre oft den Rücken freigehalten hat, mit Gemeindegliedern unendlich viele Gespräche führte, "wir hatten noch ein klassisches, evangelisches Pfarrhaus, wir waren und sind immer ein Team", sagt Ernst Fengler, der mit seiner Margarete am 1. Dezember Goldhochzeit feiert.

(RP)
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