Gerresheim Die Alte Insel ist 130 Jahre alt

Gerresheim · Die Bewohner der ehemaligen Glashüttensiedlung in Gerresheim feiern - auch wenn der Zustand des Umfeldes bedenklich ist.

 Wilfried Legner vor dem Haus in der Siedlung Alte Insel, in dem er vor 68 Jahren geboren wurde.

Wilfried Legner vor dem Haus in der Siedlung Alte Insel, in dem er vor 68 Jahren geboren wurde.

Foto: Marc Ingel

Wilfried Legner wurde vor 68 Jahren im Haus Nummer fünf an der Straße Alte Insel in Gerresheim geboren. Viel hat sich verändert seitdem. Noch mehr, seit die Häuser vor 130 Jahren von Ferdinand Heye für die Arbeiter der Glashütte errichtet wurden. Auch die beiden Geschwister von Legner erblickten in diesem Haus das Licht der Welt, sein Vater hatte damals wie so viele Gerresheimer in der Glashütte gearbeitet, die vor zwölf Jahren geschlossen wurde.

"Wir wohnten auf 50 Quadratmetern, es schlossen sich hinter dem Haus direkt Ställe mit Schweinen, Hühnern und Kaninchen an. Und es gab die dunklen Kammern, die nur eine Klappe für die Luftzufuhr hatten und in die ansonsten kein Licht hineingelangte, damit die Arbeiter tagsüber ungestört schlafen konnten, wenn sie von der Nachtschicht kamen", erzählt Legner. Vieles aus dieser Zeit ist noch heute in den 56 Wohnungen erkennbar.

Zahlreiche bemerkenswerte Geschichten haben sich im Verlauf der Jahrzehnte an der Alten Insel abgespielt. So gab es im April 1933 eine Razzia, weil im Keller der Häuser zwei und fünf NS-Gegner an mit Handkurbeln betriebenen Druckmaschinen Flugblätter anfertigten. "Ich habe in meinem Keller auch eine Schreibmaschine aus dieser Zeit gefunden", berichtet Legner, der noch eine ganz persönliche Anekdote beisteuern kann. Die hat mit der Düssel zu tun, die der Straße wegen des inselähnlichen Charakters den Namen gab - wenn sie denn, wie ursprünglich einmal geplant, komplett offengelegt worden wäre.

Wie dem auch sei, die Geschichte ging so: "Die alte Düssel hatte mal wieder Hochwasser und die Fluten überschwemmten die gesamte Insel, so dass die Anwohner die Kellerlöcher mit Sandsäcken verschließen mussten. Ich war drei Jahre alt, wollte einen angeschwemmten Pflasterstein ins Wasser schmeißen, fiel stattdessen aber kopfüber hinein. Ein Nachbarskind mit dem Spitznamen Quitsch hörte mich jammern, sprang sofort aus dem Fenster des Hauses Nummer acht in die Fluten und zog mich im letzten Moment an meinem mit Luft gefüllten Anorak ans Ufer. Er rettete mir das Leben", erinnert sich Legner, der damals auf den Namen Wischy hörte.

Das alles ist natürlich schon lange her, auch die Alte Insel hat ihr Gesicht verändert. Es hat Eigentümerwechsel gegeben, die Wohnungen wurden teilweise fremdvermietet. Es ist nicht mehr so, wie es früher einmal war. Und das gilt besonders für die Infrastruktur der Siedlung. Das betrifft vor allem die Rasenfläche über der Düssel, die ständig von Autos zugeparkt ist und sich in einem bedauernswerten Zustand befindet. Wilfried Legner, der vor zehn Jahren den Arbeitskreis "Wohnen, Arbeiten und Leben an der Glashüttenstraße" mitgründete ("Damals ging es noch vor allem um den Bau der Umgehungsstraße"), setzt sich gefühlt seit 40 Jahren für Verbesserungen der Infrastruktur an der Alten Insel ein. "Wir wollen einfach etwas Aufenthaltsqualität schaffen, ein paar Bänke, Spielmöglichkeiten für Kinder, vielleicht eine Boulebahn, Hauptsache die Autos kommen weg", sagt er. Die eigentliche Straße ist voller Schlaglöcher. Auch an Beleuchtung mangelt es. Daher hat ein Tüftler der Alten Insel in der Düssel ein Wasserrad installiert, das Strom erzeugt. Damit wird eine Lampe in einem Baum versorgt, die den Übergang zur Katharinenstraße beleuchtet. "Ansonsten ist es hier zappenduster", erklärt Legner und fügt hinzu: "Die Alte Insel ist der südlichste Zipfel von Gerresheim - und wird meist vergessen." Bemerkenswert ist zudem, dass ausgerechnet Haus Nummer drei, das besonders schäbig aussieht, der Städtischen Wohnungsgesellschaft gehört.

Eine Flut von Anträgen und Anfragen gab es dazu jüngst wieder in der zuständigen Bezirksvertretung 7. Die Antwort der Verwaltung ist immer dieselbe, wenn es um eine Aufwertung der Siedlung oder wenigstens die Sicherstellung der Verkehrssicherheit geht: Die Alte Insel stehe im Privateigentum verschiedener Besitzer, daher könne man nicht tätig werden. Zumindest die Brachfläche könne aber, etwa durch das Auslegen von Baumstämmen, abgesperrt werden. In einem fraktionsübergreifenden Antrag haben die Parteien ungeachtet dessen jetzt noch einmal versucht, Druck auf die Verwaltung auszuüben, damit rechtzeitig zur Geburtstagsfeier der Siedlung doch noch Verbesserungen herbeigeführt werden.

Die Bewohner der Alten Insel wollen aber auf jeden Fall feiern, auch wenn wieder einmal nichts passiert - und zwar am Samstag, 29. Juli, ab 11 Uhr. Mit Hüpfburg und Trödelmarkt, Schützenverein und Förderverein Industriepfad, Musik, Bier und Würstchen. "Das lassen wir uns nicht nehmen", sagt Legner.

(RP)
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