Gerresheim Der Geschichtenerzähler

Gerresheim · Klaus Grabenhorst ist Sänger, Musiker, Dichter und irgendwie auch Schauspieler. Seit 40 Jahren steht der Gerresheimer auf der Bühne.

 Der 59-jährige Klaus Grabenhorst sieht sich selbst gerne als der "singende Literat mit der Gitarre".

Der 59-jährige Klaus Grabenhorst sieht sich selbst gerne als der "singende Literat mit der Gitarre".

Foto: Hans-Jürgen Bauer

Es begann in einer Fußgängerzone in Frankfurt. Klaus Grabenhorst stand kurz vor dem Abitur, aber statt zu büffeln, zog der 19-Jährige es vor, mit Gleichgesinnten zu musizieren, freche Lieder zu singen, stundenlang. "Hausfrauen blieben stehen, hörten uns zu und merkten plötzlich, dass die Geschäfte schon dicht und ihre Einkaufstaschen immer noch leer waren", erzählt Grabenhorst. Doch, doch, ganz ehrlich, so war das damals in den 1970ern, beteuert der 59-Jährige, der 40 Jahre auf vielen Bühnen stand, obwohl er doch eigentlich nie wirklich eine brauchte.

Seine Nische ist bis heute nur mit ihm besetzt. Grabenhorst ist kein Liedermacher oder Rezitator, erst recht kein Kabarettist. Begriffe wie Geschichtenerzähler oder Erzählkünstler gefallen ihm ganz gut, weil sie das Gesamtpaket berücksichtigen, das er bietet. "Weil ich immer auch erkläre, warum mich etwas berührt, das sollen die Leute verstehen", sagt der Gerresheimer (seit 20 Jahren, der Liebe wegen). Der Barde verehrt Bob Dylan ebenso wie Wolf Biermann, als sein größtes Vorbild nennt er aber Klaus, den Geiger, Straßenmusiker wie er selbst.

Mit der Straße war er dann irgendwann durch, der studierte Germanist entdeckte in den 1980ern das Kinder- und Jugendtheater für sich. "Ich hatte bis zu 300 Auftritte im Jahr", erinnert sich Grabenhorst. Mit dem Aufklärungsstück "Was heißt hier Liebe?" schaffte er es sogar auf die Titelblätter des Boulevards: "Konservative Elternverbände liefen Sturm, es war ein Skandal!"

Grabenhorst war nach eigener Aussage stets "grottenschlecht" in Fremdsprachen. Aber bei Demonstrationen lernte er ständig Menschen aus anderen Ländern kennen. Das interessierte ihn schon, gerade wenn es um fremde Lieder ging: "Die ließ ich mir erklären und übertrug sie ins Deutsche." Nicht unbedingt Wort für Wort, vielmehr mit eigener Handschrift. "So wurde ich zum literarischen Transportarbeiter." Noch so ein Wortschöpfungsgebilde. Aber es war in den 1990er Jahren endgültig der Durchbruch für den gebürtigen Braunschweiger. Er schrieb Programme mit "Nachdichtungen" von Georges Brassens, Bulat Okudshawa, Bob Dylan oder Woody Guthrie, erhielt Einladungen nach Moskau oder in jüdische Synagogen, trat für das Goethe-Institut in Frankreich, der Türkei oder vor 3000 Zuschauern unter freiem Himmel in Koblenz auf, flimmerte über die Bildschirme des französischen und russischen Fernsehens. "Alle wollten wissen, wie die Lieder, die sie kannten, sich auf Deutsch anhören", sucht der Künstler im Nachhinein nach einer Erklärung für diesen Erfolg. 100 Programme hat er geschrieben, und so kann er einen Grundsatz umsetzen, gegen den er bisher nicht verstoßen hat: "Ich spiele nie an einem Ort ein- und dasselbe Programm zweimal." Und da es immer etwas gibt, das sich nicht in einem Lied ausdrücken lässt, begann Grabenhorst Bücher zu schreiben - den Erzählband "Ein Stück vom Himmel", jetzt ist mit "Angenommen alles ist ganz unkompliziert" sein erster Roman erschienen.

2010 nahm sich Grabenhorst vor, nur noch an Orten aufzutreten, die 30 Minuten von Düsseldorf entfernt liegen. Seitdem ist er in Kirchen und Büchereien, Cafés, Friseursalons oder Hutgeschäften zu Gast. Sein 40-jähriges Bühnenjubiläum feierte er bei den Naturfreunden Gerresheim. 4000 Auftritte sind in der Zeit zusammengekommen, hat Grabenhorst überschlagen. Und dann fällt ihm noch eine Charakterisierung seines Schaffens ein, die ihm gefällt: "Schreiben Sie, ich sei der singende Literat mit der Gitarre."

(RP)
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