Gerresheim Der ganz normale Berufsalltag

Gerresheim · Eltern der beiden Gerresheimer Gymnasien haben fast anderthalb Jahre an dem Projekt "Mein Job! Dein Job?" gebastelt: 600 Schüler profitieren an vier Tagen von den realistischen Schilderungen 46 Berufstätiger.

 Marie-Sophie Wiesner (l.) und Kendra Sperrfeld (beide vorne) sowie Marie Piper (l.), Sophie Piper und Paul Masberg haben sich beruflich noch nicht festgelegt.

Marie-Sophie Wiesner (l.) und Kendra Sperrfeld (beide vorne) sowie Marie Piper (l.), Sophie Piper und Paul Masberg haben sich beruflich noch nicht festgelegt.

Foto: Anne Orthen

Wenn zwei Gymnasien innerhalb eines Stadtteils nur einen Steinwurf voneinander entfernt liegen, dann sollte man von einem gesunden Konkurrenzdenken ausgehen. Das mag auch mal beim Gymnasium Gerresheim am Poth und dem Marie-Curie-Gymnasium an der Gräulinger Straße so gewesen sein. Doch längst ergänze man sich, tausche sich in der Oberstufe aus, führe Leistungskurse hüben wie drüben durch, die Schüler beider Gymnasien belegen könnten, bestätigen die Schulleiterinnen Cornelia Wilfert (Gymnasium Gerresheim) und Kerstin Abs (Marie Curie).

Die neueste Errungenschaft dieser Kooperation: das Berufsberatungsprojekt "Mein Job! Dein Job?". Seit Herbst 2014 hat sich ein Arbeitskreis aus Eltern und Lehrern mit der Idee beschäftigt. "Es ging uns vor allem darum, Eltern zu gewinnen, die ungeschminkt ihren Beruf und ihren Alltag vorstellen und dabei auch die Schattenseiten nicht verschweigen - etwas, was normale Jobmessen so nicht leisten können", berichtet Shera Kielgas vom Projektteam. Auch die 600 Oberstufenschüler, die damit angesprochen werden sollten, wurden nach ihren Vorstellungen befragt. "Letztlich konnten wir bis auf das Hotelfach alle nachgefragten Berufe abbilden", so Kielgas. 46 Väter oder Mütter berichteten aufgeteilt in acht Blöcke an vier Abenden jeweils zehn Minuten von ihren Werdegängen, Geldsorgen, Visionen oder Misserfolgen.

Das kam bei den Schülern gut an. "Ich bin ohne konkreten Berufswunsch in die Veranstaltungsreihe hineingegangen und weiß jetzt, dass es legitim ist, vieles auszuprobieren, bevor man sich womöglich vorschnell festlegt", erzählt Marie-Sophie Wiesner (18). Kendra Sperrfeld will unbedingt im sozialen Bereich tätig werden, "aber hier habe ich einen Einblick in die Vielfalt von der Arbeit mit Kleinkindern bis hin zu der einer Familientherapeutin gewinnen können", sagt die 18-Jährige. "Diesen Blick hinter die Kulissen werfen zu können, die ungeschönte Wahrheit über einen Beruf zu erfahren, das hat mich beeindruckt", sagt auch Sophie Piper (16). Und Zwillingsschwester Marie ergänzt: "Das hat mir geholfen, bestimmte Berufsbilder auszuschließen - wie Medizin, denn, wenn ich ehrlich bin, kann ich kein Blut sehen." Vielen erging es so wie dem 16-jährigen Paul Masberg, der ohne richtige Vorstellung von seinem späteren Berufsleben möglichst viele der Vorträge besuchte - von Informatik über Jura bis zu Betriebswirtschaftslehre.

So wurden es vier abwechslungsreiche Tage, bei denen bekennende Nerds aus der Schule auf gleichgesinnte Freaks aus den Bereichen Natur- und Ingenieurwissenschaften trafen, sich die Erwachsenen im Anschluss viel Zeit nahmen, um alle Fragen zu beantworten, und die Berufstätigen offen über ihr Gehalt sprachen. Der Gründer eines Start-up-Unternehmens beichtete offen, dass er das erste Jahr kaum überstanden hätte, wenn er nicht noch bei Mama hätte wohnen können. Über regen Zulauf konnten sich die Referenten aus der Sparte Medien und Kommunikation freuen, beim Vortrag von TV-Regisseur Stefan Petermeier platzte der Raum aus allen Nähten.

"Ich denke schon, dass wir den Schülern mit unserem Projekt einen guten Einblick vermitteln konnten, dass es eben nicht immer nur den geraden Weg gibt, dass bisweilen eine hohe Frustrationstoleranz nötig ist, und dass Geld nicht das entscheidende Argument sein muss", erklärt Stefan Hofmann, Leiter des Arbeitskreises.

(RP)
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