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Friedrichstadt Männerträume in XXS

Friedrichstadt · Beim Modellbahnbau schrumpft die Welt nicht einfach nur zusammen: Sie wird vor allem endlich so, wie man sie sich wünscht.

 Jörg Menzel hilft seit mehr als 26 Jahren Männern, sich ihre Wunschwelt aufzubauen. Nie fehlen darf dabei natürlich die Lokomotive im Miniaturformat. Manchmal landet sie aber auch nur in der Vitrine statt auf dem Gleis.

Jörg Menzel hilft seit mehr als 26 Jahren Männern, sich ihre Wunschwelt aufzubauen. Nie fehlen darf dabei natürlich die Lokomotive im Miniaturformat. Manchmal landet sie aber auch nur in der Vitrine statt auf dem Gleis.

Foto: Andreas Bretz

Sieben Tage reichen für das Erschaffen der Welt nicht aus. Nicht einmal, wenn sie nur ein paar Quadratmeter groß sein und die Form einer Scheibe haben soll. Und so schauen viele Männer über viele Jahre immer wieder vorbei in "Menzels Lokschuppen" und nehmen sich in dem Fachgeschäft stets etwas mit - zum Beispiel eine Frühlingswiese, Laubbäume, Tannen, Almhütten, Fachwerk- oder Reihenhäuser. Manche packen auch Dorfkirchen ein, Supermarkt-Discounter, Gemüse-Marktstände, Ortsschilder, ein Freibad oder Logistik-Zentrum. Besonders genau sehen sich die Männer aber in dem Modellbahnbau-Geschäft das Herzstück einer jeden Welt im XXS-Format an: die Lokomotive. In der Glasvitrine steht zum Beispiel eine Märklin-Dampflok, die 280 Euro kosten soll. Schon beim Anblick des historischen Modells in den typischen Farben Schwarz-Rot glaubt man es sehen und hören zu können: das Zischen, Fauchen und Dampfen. Und wer es nicht kann, für den schickt Inhaber Jörg Menzel (52) die Lok auf das Gleis. "Dann fällt die Entscheidung meist ganz schnell", sagt er und lacht.

Modellbahnbau: Das ist mehr als das Zusammenschrumpfen einer Stadt oder Landschaft auf ein Format, das in das eigene Wohnzimmer oder in den Keller passt. Es ist ein schöpferischer, meditativer und vielleicht gar heilender Prozess. Denn viele Männer - der Modellbau ist noch immer eine Männerdomäne - erschaffen sich Stück für Stück gerne eine Welt, wie sie sie gerne hätten. Und entscheiden dabei nicht nur, welche Landschaft oder Gebäudearchitektur diese haben soll, sondern auch welche Menschen darin leben sollen. Die Figuren-Auswahl in den Vitrinen ist beeindruckend: Bergsteiger, Lkw-Fahrer, Mütter mit Kinderwagen, Mönche, Jäger, Bahnmitarbeiter in unterschiedlichen Uniformen. "Man sagt Modellbahnbauern nach, dass sie sich gerne eine heile Welt erschaffen", sagt Menzel. Beim Blick auf die Anlage des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer liege die Vermutung gar nah, dass es eine Welt sei, in der man selbst - im Gegensatz zur Realität - die Kontrolle hat.

 Wer soll denn nun in der Welt leben, die man sich erschafft? Bergsteiger, Angler, Wanderer, Mönche oder Familien? Bahnmitarbeiter sollten natürlich nicht fehlen.

Wer soll denn nun in der Welt leben, die man sich erschafft? Bergsteiger, Angler, Wanderer, Mönche oder Familien? Bahnmitarbeiter sollten natürlich nicht fehlen.

Foto: Bretz Andreas

"Früher waren idyllische Alpenlandschaften sehr beliebt", sagt Menzel, der 15 Mitarbeiter beschäftigt. Heute muss man nur in die vielen Regale und Vitrinen des Geschäfts schauen, um zu erkennen, dass die perfekte Welt heute viele Variationen haben kann. Sie kann wie ein Abzug der städtischen Gegenwart wirken mit Lebensmittel-Discountern, Reihenhäusern und Regional-Expresszügen, aber beim Anblick von Burgen, Wassertürmen und Fachwerkhäusern auch voller Nostalgie. Eines ist über die vielen Jahrzehnte aber gleich geblieben: die Liebe zum Detail.

Von dieser Begeisterung und Leidenschaft hat sich Jörg Menzel anstecken lassen. Denn als Kind war er kein Liebhaber von Modellbahnen, fuhr zum Beispiel lieber Fahrrad. Und selbst als sein Vater Horst 1979 das Geschäft eröffnete, geschah dies nicht aus Leidenschaft für die XXS-Welt, sondern aus Geschäftssinn. "Zu uns kommen die vielen Männer mit einem Altersdurchschnitt von so Ende 50 nicht, weil sie eine lästige Besorgung machen müssen. Viele wollten schon als Kind eine Modelleisenbahn, konnten sie sich aber womöglich nicht leisten. Wir verkaufen ihnen ihr Hobby. Einen dankbareren Job gibt es wohl nicht", sagt Jörg Menzel, der für seine beiden Kinder im Garten eine Bahnanlage aufgebaut hat.

Für das Erschaffen einer Welt brauche man Geduld und Geschick, sagt der 52-Jährige. Selbst wenn sie nur ein paar Quadratmeter groß sein und die Form einer Scheibe haben soll, könne man viele Fehler machen. Etwa eine Sperrholzplatte benutzen, die nach den ersten Schöpfungsanläufen durchbiegt.

(semi)
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