Flingern Warum man beim Boxen tänzeln muss

Flingern · Immer mehr Menschen halten sich neuerdings mit einem Sport fit, der früher eher mit der Halbwelt in Verbindung gebracht wurde: Boxen. Was ist das Besondere daran? Unser Autor hat es in Flingern ausprobiert.

 Unser Autor Falk Janning (links) lernt bei Trainer Kai Burchardt, was man beim Boxen beachten muss. Es geht um Koordination: Beine, Rumpf und Arme müssen zusammenspielen.

Unser Autor Falk Janning (links) lernt bei Trainer Kai Burchardt, was man beim Boxen beachten muss. Es geht um Koordination: Beine, Rumpf und Arme müssen zusammenspielen.

Foto: Christian Pemsel

Mit meinem Boxtraining liege ich voll im Trend: Immer mehr Jugendliche und Erwachsene ziehen sich Handschuhe über die Fäuste und prügeln auf Sandsäcke ein. Boxen ist hip. Früher war es der Sport der Arbeiterklasse und von Zuhältern. Heute ist Boxen zu einer Fitness-Schule für jedermann geworden. Ich unternehme einen Selbstversuch bei Kai Burchardt, weil ich die Faszination kennenlernen möchte, die der Sport ausübt. Der 42-jährige Boxlehrer aus Flingern hat seine Boxschule "Boxen for Personality" 2005 gegründet, bietet Kurse in einer Halle am Höherweg in Flingern an.

Freundliche Blicke treffen mich, als ich eintrete. Mein Blick schweift durch den Raum, der einladend wirkt. Er hat überhaupt nichts von dem Stil klassischer Fitnessstudios, ist ein Ort der Besinnung auf das Wesentliche. Kleiner als ein Tennisfeld, kahle Wände, getaucht in kaltes, fahles Licht. Vier Sandsäcke hängen in einer Ecke noch ruhig von der Wand. Kai Burchardt begrüßt mich herzlich. Schnell schnüre ich meine Turnschuhe und stülpe die Handschuhe über meine Fäuste, die der Trainer mir reicht. Die anderen machen es professioneller: Sie umwickeln ihre Hände vorher noch mit einem Tape.

Dann beginnen wir mit dem Aufwärmen. Im Trab geht es durch die Halle. Armkreisen, links, rechts, rückwärts laufen, seitwärts laufen, den Boxergang einlegen (linker Fuß vor und dann mit kleinen Hüpfern vorwärts). Mit mir schwitzen sechs Männer und zwei Frauen. Kai Burchardt stellt mir meinen Partner vor: Christian Pemsel, Mitte 40, Fortuna-Fan, durchtrainiert, mit einem ordentlichen Schlag. Wir nehmen die Arme hoch, dürfen uns abwechselnd auf die Handflächen schlagen. "Schulter mitnehmen", sagt Kai Burchardt.

Wir üben Schlagfolgen und sollen dabei tänzeln. Die Koordination ist gar nicht so einfach. Beine, Rumpf und Arme müssen zusammenspielen. Ich täusche wie vorgegeben zweimal mit links an und schlage mit rechts, treffe seine Handschuhe und produziere Luftlöcher. Nun ist Christian dran, deutet zweimal einen Schlag an und fährt dann ansatzlos seine Rechte aus, bearbeitet meine Fäuste, die ich schützend vor das Gesicht halte. "Immer einander in die Augen schauen, wie zwei Verliebte", sagt Kai Burchardt. Es geht immer im Kreis herum: tänzeln, zwei, drei kurze Schläge, weiter, weiter, ohne Pause.

Die Hälfte des Trainings ist vorbei, wir sind außer Atem. "Man powert sich aus und kann den ganzen Stress vom Tag abladen", sagt Christian. "Mein Opa hat schon geboxt", sagt Kai Burchardt in der Trinkpause. Er war in Sachen Boxen sein großes Vorbild, durch ihn kam er als Sechsjähriger zu dem Sport. Er hat sich einen Traum erfüllt. Seine Schützlinge können seiner Meinung nach bei ihm fürs Berufsleben lernen: "Beim Boxen braucht man Mut, man muss Entscheidungen treffen, manchmal auch aus dem Bauch heraus. Das ist auch im Job so."

Ein Schluck aus der Wasserflasche, dann geht es weiter. Eine Faust an den Körper, die andere vors Gesicht. Wir bearbeiten den Sandsack 15 Sekunden lang mit maximaler Geschwindigkeit. Ich spüre, wie meine Handschuhe schweißgetränkt sind. "Aller Anfang ist schwer", sagt Christian. "Wenn man regelmäßig trainiert, macht es unglaublichen Spaß."

Im Anschluss geht es um Kraft. Links, rechts, links, rechts - Christian hämmert auf den Sandsack ein, den ich nur mit Mühe festhalten kann. "Wechsel", ruft Kai Burchardt. Dann bin ich wieder dran. Ich lege meine ganze Kraft in die Schläge. "Du musst mehr aus der Hüfte kommen", meint der Coach. Nach 90 Minuten sitze ich erschöpft auf der Holzbank. Und das wohlige Gefühl am nächsten Morgen in den Armen, sagt mir: Das brauchst Du nun einmal wöchentlich.

(RP)
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