Flehe "So normal wie möglich"

Flehe · Bewohner des Hauses "Wohnen in Flehe" zeigen, dass eine Inklusion geistig eingeschränkter Menschen möglich ist: Sie sind fester Bestandteil des Stadtteils und eines regelmäßigen Austauschs mit Nachbarn.

 Normalität schreibt man im und auch außerhalb des Hauses "Wohnen in Flehe" groß.

Normalität schreibt man im und auch außerhalb des Hauses "Wohnen in Flehe" groß.

Foto: Bernd Schaller

In drei Gemeinschaften leben 18 Menschen mit einer leichten geistigen Behinderung im Haus "LVR-Wohnen" am Scharfenstein in Flehe. Sie sind fester Bestandteil des Stadtteils, ein regelmäßiger Austausch mit Nachbarn am Stammtisch ist mittlerweile obligatorisch. "Wir sind Nachbarn unter Nachbarn", sagt Michael Martens, Einrichtungsleiter des Landschaftsverbands Rheinland (LVR), der im "Netz Ost der Heilpädagogischen Hilfen für Erwachsene mit geistiger Behinderung (HPH)" das Haus betreut. "Und natürlich fallen unsere Bewohner im Stadtteil auf", fügt der 58-Jährige lachend hinzu.

Auf dem Weg zum Altpapiercontainer, beim Bäcker oder in der Pizzeria auf dem Aachener Platz - gerade weil die Bewohner auffallen, kommt es zu einer aktiv gelebten und stets vorangetriebenen Inklusion der Bewohner im Stadtteil. Das Besondere: Der Wunsch nach Inklusion geht von beiden Seiten aus. Seit acht Jahren existiert ein monatlich stattfindender Stammtisch mit Nachbarn im Vereinslokal des Sportvereins "Grün-Weiss-Rot 1930". Dort werden Probleme des Alltags der Menschen mit und ohne Behinderung diskutiert und neue Projekte wie das alljährliche Sommerfest besprochen. Hauptsächlich wird aber - schließlich sind wir im Rheinland - freundschaftlich miteinander gequatscht.

"Ganz wichtig ist, die Nachbarn ins Boot zu holen", sagt Martens, der seit dem Bau des Wohnhauses im Jahr 1997 für den Landschaftsverband arbeitet. "Stress kann so unmittelbar erkannt und aufgefangen werden." Während viele Jahre lang Menschen mit einer geistigen Behinderung dezentral in Kliniken lebten, erkannte der LVR das Potenzial, alternativ zu einer eher zurückgezogenen Lebenssituation offene und autarke Lebensmodelle zu fördern. Dazu gehört, dass die Bewohner in Flehe heilpädagogische Hilfe und eine Unterstützung im Alltag erfahren. "Wir beraten unsere Bewohner", erklärt Martens, geben Hilfestellung etwa beim Wäschewaschen, Einkaufen oder auf dem Weg zum Frisör. Dies geschieht aber nur so lange, bis die Bewohner sicher und eigenständig sind. "Dann ziehen wir uns zurück", sagt der gelernte Erzieher, der mit seinem 13-köpfigen Mitarbeiterteam die Bewohner des Hauses in Flehe anleitet und betreut.

Gerade weil sich viele der 18 Bewohner des Hauses eigenständig und über ihre berufliche Tätigkeit hinaus - 15 der Bewohner arbeiten in der Werkstatt für angepasste Arbeit (WfaA), fünf der Bewohner sind verrentet - etwa zum Einkaufen oder Kaffeetrinken im Stadtteil bewegen, kommt es zwangsläufig zu Berührungspunkten mit den Nachbarn. "Unsere Bewohner sprechen oder gehen vielleicht ein wenig anders, dennoch kann man sie ohne Weiteres ansprechen", betont Martens. "Die Akzeptanz unseres Hauses im Stadtteil ist sehr gut", freut sich Martens, "wichtig ist, dass wir stets Normalität transportieren." Er strebt mit seinen Bewohnern die Teilnahme an einem in Flehe stattfindenden Sportkurs an. Menschen ohne und mit Behinderung würden dann gemeinsam Sport treiben.

(RP)
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