Bilk Singen frei Schnauze

Bilk · Beim ersten Gründungstreffen für einen internationalen Hobbychor des Vereins "Düsseldorf aktiv.net" geht es im Bilker Bürgerhaus herzlich chaotisch zu. Chorleiter Josef Zilli sagt zu den Sängern: "Ihr werdet den Text eh nicht lernen."

 Chorleiter Josef Zilli (Mitte) erklärt den Chor-Interessierten sein Vorhaben: Singen mit Spaß, aber ohne einheitliche Kleidung.

Chorleiter Josef Zilli (Mitte) erklärt den Chor-Interessierten sein Vorhaben: Singen mit Spaß, aber ohne einheitliche Kleidung.

Foto: Andreas Endermann

Zwischen den vielen Stuhlbeinen und den etwa halb so vielen menschlichen Beinen rollt eine fast leere Wasserflasche umher. Es ertönt hin und wieder ein Plong oder Peng, die Flasche macht, was sie will. Sie lässt sich dabei einfach nicht aufhalten. Hin und wieder wird die arme Flasche getreten, dann rollt sie wieder weg, etwas beleidigt vielleicht. Niemanden stört das Treiben der Flasche und so bleibt sie den ganzen Abend auf dem Boden. Die Flasche steht stellvertretend für die Rahmenbedingungen, die nicht ganz perfekt sein mögen, aber die auch furchtbar egal sind.

Es ist das erste von zwei Gründungstreffen für einen Multi-Kulti-Chor. Der Verein "Düsseldorf aktiv.net", der sich für bürgerschaftliches Engagement stark macht, hat am Mittwochabend in das Bürgerhaus in Bilk geladen. In einem kleinen Raum mit vier riesigen Tischen und besagten Stühlen, die man aus Uni-Seminaren kennt, sitzt ein gutes Dutzend Menschen, das sich noch nie im Leben begegnet ist. Auf Klebebandstreifen haben sie sich ihre Namen auf die Brust geklebt: Bertha sitzt neben Konni und Nina neben Stan.

Josef Zilli trägt zu riesigen Augenbrauen, die wahrlich Theo-Waigel-verdächtig sind, zum Pferdeschwanz gebundenes braunes Haar mit vereinzelten grauen Strähnchen. Er wippt auf seinem schwarzen Klavierhocker umher und schaut durch seine randlose Brille tief in jedes ihm unbekannte Gesicht. Zilli leitet den Chor. Der Begriff "Chorleiter" allerdings würde Erwartungen an seine Tätigkeit richten, die er gar nicht erst erfüllen will. Er sagt: "Wer Chorerfahrungen hat, wird sehen, dass bei mir alles anders läuft."

Josef Zilli verlangt von den Düsseldorfern aus aller Welt, die sich auf das Wagnis Chor einlassen, Konventionen hinter sich zu lassen. Sich gehenzulassen und einfach drauf los zu singen. Das Grundprinzip des Singens ist, das sagt Zilli: "Sing, was Dir Spaß macht". Also soll ihm jeder seine Lieblingsstücke schicken, er wird sich anschauen, was davon umsetzbar ist. Auf einem riesigen Blatt Papier hat sich der Gesangs- und Klavierlehrer Zilli die Namen aller notiert, ihre E-Mailadressen und ihre Telefonnummern. Er will "Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad" in einer jazzigen Version singen.

Spaß steht im Vordergrund, nicht die musikalische Perfektion. Alles soll ein bisschen lustiger, freier, lockerer sein. "Niemals werden wir einheitliche Kleidung tragen", mahnt der Chef. Locker auch, weil Zilli sagt: "Ich erwarte nicht, dass ihr den Text lernt. Das werdet ihr eh nicht tun." Chor-Anwärterin Ulrike fragt dabei, ob es schlimm wäre, wenn sie nicht aus Düsseldorf kommt. Und Andreas schaut sich all das erst einmal vorsichtig an. Ob sie auch Lust auf internationale Ohrwürmer und populäre Musik haben, wie Bernd Hübbers von "Düsseldorf aktiv.net" ankündigt? Das wird sich zeigen, falls sie wiederkommen.

Hübbers wusste vor dem Gründungstreffen nicht recht, was passieren würde. Niemand wusste das. Es ist ein bizarres Wagnis, das sich der spontanen Entwicklung hingibt. Gegen Ende, nach dem alles erklärt ist, übernimmt Josef Zilli das Ruder, so wie er es in den späteren Proben auch tun wird. Der Chor singt: wenig schief, viel frei Schnauze.

(RP)
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