Bilk "Jede Stadt braucht ihr Gesicht"

Bilk · Das gründerzeitliche Gebäude mit dem markanten Pferdekopf an der Brunnenstraße ist für viele Bilker ein außergewöhnliches architektonisches Zeugnis der Geschichte im Stadtteil. Jetzt will ein Investor das Haus abreißen.

Vor einem Jahr erst hat Markus Pawlowski sein Atelier im Hinterhof an der Brunnenstraße 27 bezogen. "Sowas wie hier findet man nur, wenn es total runtergekommen ist", sagt Pawlowski. Sicher 30.000 Euro musste er in die Renovierung seines Show-Rooms in der ersten Etage und in seine Werkstatt darüber investieren. Dass die Zeit dort bald enden könnte, hat den Künstler "schwer geschockt", sagt er. Das Gründerzeithaus mit dem markanten Pferdekopf samt Hinterhofbebauung in Bilk soll nämlich abgerissen werden, Studentenwohnungen sind geplant. Ob die aber wirklich kommen, bezweifelt nicht nur Pawlowski. "Nachher werden die Preise so sehr angehoben, dass sich Studenten die Miete nicht leisten können", meint Ulrike Reble, die seit 40 Jahren in Bilk wohnt und gestern Abend zur Demo gekommen ist, die die Grünen-Politiker im Stadtbezirk 3, Dietmar Wolf und Thorsten Graeßner, organisierten.

Reble fragt sich, warum nicht wenigstens die Fassade erhalten werden kann, so wie am Fürstenwall, wo die ehemalige WestLB einem Neubau weicht. "Immer mehr alte Häuser werden abgerissen für uniforme Bauten", sagt Regine Hille-Walter, die extra aus Unterrath gekommen ist, um sich das Haus mit dem Pferdekopf noch mal anzuschauen. Ihre Urgroßeltern und Großeltern lebten in Bilk, deshalb fühlt sie sich noch immer verbunden mit dem Stadtteil. "Jede Stadt braucht ihr Gesicht", sagt Hille-Walter.

Einige Nachbarn und Bewohner wurden schließlich spontan angezogen, als sie das Pferdegetrappel vor ihrer Tür hörten. Fleißig höhlten Graeßner und Wolf nämlich Kokosnüsse aus, die ordentlichen Lärm produzierten. "Wie im Film ,Ritter der Kokosnuss'", sagt Dietmar Wolf. Niklas Irrgang zum Beispiel, der früher als Student eine WG hatte in dem Haus und seit Mai wieder dort wohnt, inzwischen allein. "Ich kenne keinen aktuellen Status", sagt er, fühlt sich vom Vermieter schlecht informiert. "Jetzt verstehe ich aber auch, warum so lange nichts mehr gemacht wurde in den Wohnungen." In einem schlechten Zustand sollen die Räume sein.

Das gründerzeitliche Gebäude ist für viele Bilker ein außergewöhnliches architektonisches Zeugnis der Stadtteil-Geschichte. Vor mehr als 100 Jahren war dort der Fuhrunternehmer Anton Schmalscheidt ansässig. Eine prägnante Pferdekopfskulptur über der Durchfahrt zum Hof erinnert daran. An der Fassade sieht man außerdem noch eine Reminiszenz an die vormals sehr wichtige Rolle der Papierindustrie in Bilk: "Papierverarbeitung" steht dort. Ein Teil dieser Geschichte ist auch in Markus Pawlowskis Atelier zu sehen, der extra alte Stützbalken und Deckenverstrebungen in sein Raumkonzept eingearbeitet hat. "Da das Gebäude weder eine besondere bauliche Qualität noch eine umfangreiche zeittypische Ausstattung aufweist, ist eine Eintragung in die Denkmalliste nicht vorgesehen", sagt ein Sprecher der Stadt. Der lokalhistorische Bezug sei keine ausreichende Begründung der Denkmaleigenschaft. Das sehen die Demonstranten anders, "wir wollen nicht nur Glaskästen anschauen", sagt Karen Thiel. Am Dienstag steht das Projekt erneut auf der Tagesordnung der Bezirksvertretung 3, wenn die Politiker über die Zukunft eines alten Hauses entscheiden.

(RP)
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