Michal Perlinski Der Mann, der 33 Sprachen spricht

Düsseldorf · Routiniert ziehen Geschäftsleute ihre Aluminiumtrolleys hinter sich her, ein Familienvater vergleicht die Zeit seiner Armbanduhr mit der Abflugtafel. Sie könnten noch Kunden von Michal Perlinski werden. Der 28-Jährige arbeitet neben seinem Studium als Aushilfe in einem Duty-free-Shop am Düsseldorfer Flughafen, heute in Terminal A.

 Zweisprachig ist er aufgewachsen, seit dem sind 31 weitere Sprachen dazugekommen: Michal Perlinski lernt sie mühelos.

Zweisprachig ist er aufgewachsen, seit dem sind 31 weitere Sprachen dazugekommen: Michal Perlinski lernt sie mühelos.

Foto: Anne Orthen

Routiniert ziehen Geschäftsleute ihre Aluminiumtrolleys hinter sich her, ein Familienvater vergleicht die Zeit seiner Armbanduhr mit der Abflugtafel. Sie könnten noch Kunden von Michal Perlinski werden. Der 28-Jährige arbeitet neben seinem Studium als Aushilfe in einem Duty-free-Shop am Düsseldorfer Flughafen, heute in Terminal A.

Jeden Kunden empfängt er freundlich, berät ihn über das umfangreiche Warenangebot. Das besondere: Michal Perlinski kann fast jeden seiner Kunden in dessen Muttersprache bedienen, denn der Masterstudent, der an der Ruhr-Universität Bochum die Fächer Slawistik und Russische Kultur belegt, spricht 33 Sprachen. 15 davon fließend.

Englisch, Französisch und Polnisch sind obligatorisch, Dänisch, Slowakisch, Finnisch, Kroatisch, Niederländisch, Russisch und weitere 24 Sprachen kommen hinzu.

"Am Flughafen habe ich mich gezielt beworben, weil ich hier in einem internationalen Ambiente arbeiten kann", erzählt Perlinski. Hier kommt er mit Menschen aus den unterschiedlichen Ländern in Kontakt, übt so, sich in den verschiedenen Sprachen zu unterhalten.

Seine Sprachaffinität besitzt Perlinski seit früher Kindheit. Aufgewachsen ist er bereits zweisprachig, mit seiner Mutter kam er als Zweieinhalbjähriger von Polen nach Deutschland. Und während seine Klassenkameraden später auf der weiterführenden Schule zunächst Englisch, später eine zweite Fremdsprache paukten, beherrschte er parallel schon Spanisch und Russisch, und lernte weitere Sprachen. Das macht er autodidaktisch. "Die meisten Vokabeln muss ich mir nur zweimal anschauen", sagt er, "dann kann ich sie für alle Zeit auswendig." Überdies besitzt er ein Gefühl für Aussprache und Klang: "Wenn ich eine fremde Sprache höre, brauche ich nicht lange, um deren Sprachmelodie und Feinheiten wie Dialekt und Duktus herauszuarbeiten", erklärt Perlinski, der in den kommenden beiden Semestern seine Abschlussprüfungen schreiben wird.

Doch es gehört mehr dazu als bloße Affinität, um derart viele Sprachen in teils atemberaubender Geschwindigkeit zu lernen: Perlinski besitzt ein fotografisches Gedächtnis und ist Synästhetiker, gehört damit zu einer Gruppe von Menschen, bei der eine Kopplung zweier oder mehrerer physisch getrennter Bereiche der Wahrnehmung einhergehen. Perlinski sieht Buchstaben farbig, wie er sagt. So könne er sie besser strukturieren.

Die zweite, farbliche Ebene der Sprachwahrnehmung erleichtert ihm, sich neue verbale Inhalte merken zu können. "Schon in der Schule hat mich der normale Sprachunterricht unterfordert", sagt Perlinski. Dennoch scheiterte er am Abitur, weil er in Mathematik versagte. Überdies brauche er für die Analyse von Texten und logischen Zusammenhängen länger als andere. Eine Ausnahmeregelung und sein außergewöhnliches Talent machten es dennoch möglich, ein Studium zu beginnen.

Neben seiner großen Leidenschaft für Sprachen schwärmt Perlinski für den Eurovision Song Contest. Und er weiß alles über den musikalischen Wettbewerb. Egal welches Jahr, welches Land, welcher Komponist oder welcher Song - Perlinski speichert alles über den seit 1956 jährlich veranstalteten Wettbewerb.

Wenn es sein Budget zulässt, reist er zudem gerne. Neben einem Kurzurlaub bei seinen Verwandten in Polen verbrachte Perlinski kürzlich drei Wochen in Schweden. Schwedisch sprach er bereits vor seinem Urlaub, während seines Aufenthaltes kam er daher sehr schnell in persönlichen Kontakt, die Menschen waren ihm schon bald nicht mehr fremd. "Einen unmittelbaren Zugang zu Land und Leuten erhält nur der, der die Sprache spricht", erklärt Michal Perlinski.

Was der Student beruflich machen möchte, weiß er noch nicht genau. Zunächst einmal möchte er promovieren, im Anschluss daran vielleicht in die Sprachforschung gehen. Und natürlich weitere Sprachen lernen. Derzeit stehen Koreanisch und Japanisch auf der Agenda. Georgisch und Armenisch kommen hinzu. "Ich möchte einfach noch mehr über meine sprachlichen Wurzeln wissen", sagt Perlinski mit Blick in seine neuen Wörterbücher. Sven-André Dreyer

(RP)
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