Buch-Autorin Yavi Hameisters Die Sucht der Selbstoptimierung

Düsseldorf · Nichts weniger als umwerfend sein - in jeder Lebenslage. Das ist Yavi Hameisters Anspruch an sich selbst. Während die junge Frau in Düsseldorf studiert, unterwirft sie ihren Körper strengen Diäten und Fitnessprogrammen - und zerbricht fast daran. Über ihre Erfahrungen hat sie ein Buch geschrieben.

 Für ihre Hochzeit verordnete sie sich ein Fitnessprogramm.

Für ihre Hochzeit verordnete sie sich ein Fitnessprogramm.

Foto: Niki Romczyk

Nichts weniger als umwerfend sein - in jeder Lebenslage. Das ist Yavi Hameisters Anspruch an sich selbst. Während die junge Frau in Düsseldorf studiert, unterwirft sie ihren Körper strengen Diäten und Fitnessprogrammen - und zerbricht fast daran. Über ihre Erfahrungen hat sie ein Buch geschrieben.

Es ist ein Klischee, dass Frauen vor ihrer Hochzeit zu unzurechnungsfähigen Brautzillas mutieren. In Yavi Hameisters Fall traf es zu. Kurz nachdem sie mit 28 Jahren den Antrag ihres Freundes angenommen hatte, startete sie das Projekt "Die perfekte Hochzeit". Dazu gehörte für sie nicht nur die ideale Location, das richtige Rahmenprogramm und das passende Menu - sondern auch, die beste Version ihrer selbst zu werden. Zehn Monate lang hielt sie strenge Diät und verbrachte Stunden im Sportstudio.

 Hameister absolvierte Sportübungen bis zur totalen Erschöpfung.

Hameister absolvierte Sportübungen bis zur totalen Erschöpfung.

Foto: Yavi Hameister

Kurz vor dem großen Tag ließ sie sich die Oberlippe waxen. Ihren Fehler erkannte sie am Tag der Hochzeit. Und als sie sich da stehen sah - mit der perfekten Frisur, im perfekten Kleid und den roten Pusteln auf der Oberlippe - da musste sie plötzlich lachen. "Ich nahm es mit Humor - das erlöste mich von dem Anspruch, eine ideale Braut sein zu müssen", sagt Hameister. "Die schönsten Pickel der Welt", kommentierte ihr Mann und half ihr, etwas zu vergegenwärtigen: "Ich werde geliebt für die Person, die ich bin."

Diese Erkenntnis markiert in ihrem Leben eine Entwicklung in die richtige Richtung. Das Streben nach Perfektion und Beachtung zieht sich da bereits wie ein roter Faden durch Hameisters Biografie. Geprägt von fehlender Beachtung durch ihre Eltern, entwickelt sie schon als Kind Methoden, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Sie erfindet Geschichten, manipuliert ihr Umfeld und verletzt sich selbst.

Mit 20 zieht sie zum Beginn ihres Studiums aus dem Ruhrpott nach Düsseldorf. Schnell beginnt sie eine Beziehung. Ihr Freund, gut aussehend und wohlhabend, ist in ihren Augen perfekt. Dass auch er sie so sehen könnte, kann sie nicht glauben: "Ich dachte: Du reichst nicht. Du passt hier nicht rein. Ich habe mich so nichtig gefühlt." Sie beginnt sich selbst zu optimieren - mit immer extremeren Mitteln.

Die nächsten Jahre sind gekennzeichnet von wechselnden Diäten, phasenweise Mangelernährung und Sport bis zur völligen Erschöpfung. Dann wieder überkommt sie der Hunger. "Ich schwankte von einem Extrem ins andere. An manchen Tagen war ich so traurig, dass ich alles in mich hineinstopfte. Natürlich musste ich diese Kalorien dann durch Sport ausgleichen", erzählt Hameister. Die Bewunderung und auch Sorge ihres Umfeldes wird zum Suchtmittel. Hameister zieht sich einen Bauchdeckenbruch zu, leidet an Herz-Rhythmus-Störungen, ihre Periode bleibt aus. Mit 25 verfällt sie nach einem langen Krankenhausaufenthalt in eine Depression.

Als sie eine Therapie beginnt, versteht sie das erste Mal, was es ist, das sie so krank macht. Und sie beginnt, ihr Verhalten zu reflektieren. Bis sie sich mit sich selbst wohlfühlt ist es trotzdem noch ein langer Weg. Über ihre Höhen und Tiefen hat sie das Buch "Bis es weh tut" geschrieben. Heute geht es ihr wieder gut, sagt sie.

Die 31-Jährige ist verheiratet, hat zwei Kinder und bloggt auf www.mama-moves.de über Ausgewogenheit zwischen dem Leben als Mutter und sportlicher Aktivität. Mit ihrem Körper beschäftigt sie sich also immer noch. "Aber weil ich ihn liebe, nicht hasse. Es ist kein Druck mehr dahinter", sagt sie. Ihren eigenen Kindern möchte sie vermitteln, sich selbst zu anzunehmen - so wie sie sind.

(RP)
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