Düsseldorf "Spice Girls": Abschied ohne Wehmut

Düsseldorf · Das traditionsreiche Gewürzhaus an der Mertensgasse ist das letzte Stück Altstadt, das sich jahrzehntelang nicht verändert hat. Für das Mutter-Tochter-Gespann Marie-Luise und Kerstin-Miriam Seegers ist der Auszug ein lang ersehnter Neuanfang.

 Heiligabend ist nach 52 Jahren an der Mertensgasse Schluss für Marie-Luise Seegers (l.) und Tochter Kerstin-Miriam

Heiligabend ist nach 52 Jahren an der Mertensgasse Schluss für Marie-Luise Seegers (l.) und Tochter Kerstin-Miriam

Foto: Andreas Bretz

Vor und hinter dem winzigen Tresen gibt es keine Zeit für Abschiedsschmerz. Kaum legt ein Kunde seine leeren grau-blauen Keramikpöttchen oder Gläschen darauf, werden sie auch schon in Windeseile von Marie-Luise Seegers (75) oder Tochter Kerstin-Miriam (52) mit dem berühmtem Mostert der seligen Witwe Bergrath aufgefüllt, und schon steht der nächste Kunde mit seinem Jute-Beutel im kleinen Gewürzhaus. "Ziehen Sie hier wirklich weg?", kann dann im Hinausgehen nur noch gefragt und ein "Ja, aber nur 50 Meter rechts die Straße hoch" geantwortet werden: Denn schon bei zwei bis drei Kunden ist das kleine Gewürzhaus in der Altstadt mit den blau-weißen Keramik-Pöttchen, Regalen und Vorhängen und mehr als 300 Gewürzen in Gläsern, Töpfchen und Tüten hoffnungslos überfüllt.

Nach 52 Jahren macht das Mutter-Tochter-Gespann Seegers bald Schluss mit dem Gewürzhaus Mertensgasse 25 und damit auch mit dem letzten Stück Düsseldorfer Altstadt, das sich in den vergangenen Jahrzehnten eigentlich so gut wie gar nicht verändert hat. Der alte, nicht einmal 16 Quadratmeter große Laden sah schon so aus, als Marie-Luise Seegers ihn Mitte der 1960er Jahre übernahm. Tochter Kerstin-Miriam war von Anfang an dabei. "Meine Mutter war damals hochschwanger mit mir", sagt die 52-Jährige und lacht. Später habe sie als Kind ihrer Mutter beim Einpacken der Mostert-Pöttchen mit Zeitungspapier geholfen. Als eine Mitarbeiterin der Arbeitsagentur, die früher ja bekanntlich noch Arbeitsamt hieß, ihr dann nach der Lehre zur Schneiderin sagte, dass sie nur einen Job in der Industrie bekommen könne, tauschte sie Nähmaschine, Nadel, Garn und Schere lieber gegen Töpfchen und Tütchen voller Gewürze wie Kalahari Salz, Bobotie, Chimichurri oder Moglei Korma und natürlich Senf von süß bis höllisch scharf.

Wehmut komme aber angesichts des baldigen Auszugs nicht auf. "Wir haben schon seit Jahren nach einem neuen Lokal gesucht", sagen die "Spice Girls", wie sich die beiden Frauen nennen. Zu eng sei es in dem kleinen Häuschen gewesen, zu heiß im Sommer und wegen der Nähe zur Partymeile Bolkerstraße zu laut. An der Kapuzinergasse soll das alles besser werden. "Das ganze Haus können wir dann sogar als Lager nutzen, es gibt einen Innenhof, temperaturtechnisch ist es dort angenehmer und günstiger", sagt die 52-Jährige. Auch wenn die Kapuzinergasse nur 50 Meter vom jetzigen Standort entfernt ist, sei das Ambiente dort mit den kleinen, inhabergeführten und teils hochkarätigen Einzelhändlern wie dem Juwelier Schubart charmanter.

Aussehen wird es aber im neuen Gewürzhaus eigentlich wie im alten. Der kleine Tresen wird mitgenommen, ebenso die Tische. Nachgezimmert werden die Regale mit der typischen blau-weißen Front, auf denen dann die pulvrigen Kostbarkeiten aus der ganzen Welt aufgestellt werden. "Und auch an der Kapuzinergasse wird man bei uns nicht mit Karte zahlen können", sagt Kerstin-Miriam Seegers.

Die Stammkunden und Touristen werden ihren Weg zweifellos weiterhin in das Geschäft finden, das weiterhin aussehen wird wie aus einer längst vergangenen Zeit. Zu bekannt, zu kultig und beliebt ist das Gewürzhaus bei Düsseldorfern wie Touristen. Und dann wird es auch sicher wieder voll werden an dem kleinen Tresen und kaum Zeit geben, um über den Einzug ins neue Haus zu sprechen. Schließlich werden pro Woche alleine 25 bis 30 Zehn-Kilo-Eimer des Mosterts abgefüllt in mitgebrachte Keramiktöpfe und Gläser der Kunden.

Doch auch das war eben schon immer so.

(semi)
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