Kolumne Mein Düsseldorf Sonntagmittags fast allein im Museum

Düsseldorf · Bei der Stippvisite in Stadt- und Hetjens-Museum trifft man wenig Menschen, kann aber kleine Überraschungen erleben.

 Die türkischen Studentinnen Buse Parlak (20, l.) und Merve Consu Kababil (20) besuchen am Sonntag das Hetjens-Museum.

Die türkischen Studentinnen Buse Parlak (20, l.) und Merve Consu Kababil (20) besuchen am Sonntag das Hetjens-Museum.

Foto: Anne Orthen

Draußen, am Rand der Carlstadt im Bistro Zicke, direkt gegenüber des Stadtmuseums, sitzen - wie an jedem Sonntag - die Menschen und tun das, was man neudeutsch brunchen nennt. Das Publikum der Zicke ist seit Jahren kaum verändert, der Anteil der Grünen-Wähler dürfte hoch sein, auf den Tischen steht sehr viel Gesundes. Man ist halt sensibel, auch gegen Regen: Als eine kleine Regenschauer herabgeht, spannt ein Mann mit Halbglatze (vorne) und Zopf (hinten) tatsächlich einen Schirm auf und schützt sich und seinen Bio-Joghurt (mit Früchten): in der linken Hand den Schirm, in der rechten den Löffel. Er könnte natürlich auch ins Museum gehen, es sind keine 20 Schritte bis zu Tür des Stadtmuseums. Sie bewegt sich fast gar nicht - keiner geht rein, keiner kommt raus. Aber es ist geöffnet. Drinnen - Stille. Kein Mensch, nur am Ende des Flurs ein gelangweilt da sitzender junger Mann. Er verkauft die Tickets, vier Euro pro Nase. Und erklärt kurz, wo die Dauer- und wo die Sonderausstellung ist. Das ist ein guter Tipp, in dem verwinkelten Gebäude kann man sich schnell verlaufen, jemanden zu fragen ist nicht möglich - denn da ist niemand. Eine junge Frau, am Namensschild als Aufsicht zu erkennen, taucht kurz auf und verschwindet wieder. Aufpassen muss sie nicht, in dem Museum sind die wirklich empfindlichen Exponate rar. Wie die Besucher an diesem schwül-heißen Sonntag.

Düsseldorfs Historie - in Bildern, Dokumenten, Öl-Schinken (Jan Wellem etc), dazu ein paar Modelle (die Kaiserpfalz), eine gewaltige Donnerbüchse, Hellebarden, verrostete Schwerter, Pläne - spektakulär ist da nichts.

Das konnten Valeska Doffer und Mustafa Elhassan aus Haarlem, Holland, natürlich nicht ahnen, als sie mit ihren Söhnen Raiz (5) und Sami (6) nach Düsseldorf fuhren und nun möglichst viel sehen wollen. Die beiden Jungs wirken eher gelangweilt - nirgendwo blinkt, piept oder leuchtet es. Aber brav folgen sie den Eltern. Den Tipp, den Jungs doch mal das Schifffahrtsmuseum im Schlossturm zu zeigen, nehmen die gern auf - zumal es nicht weit weg ist.

Wer nach dem Saunafeeling draußen hier Kühle suchte, wird enttäuscht. Zwar versucht man, durch dezentes Dämmerlicht angenehme Temperaturen vorzutäuschen, aber das klappt nicht.

Anders in den Räumen der Ausstellung "Juden in Düsseldorf - von Augenblick zu Augenblick". Die Räume sind klimatisiert und dort schlendern immerhin ein Dutzend Besucher von Vitrine zu Vitrine, sehen Fotos aus der alten Synagoge und lesen in Originalbriefen unfassbare Wahrheiten von damals. Eine Frau mittleren Alters wirkt sehr konzentriert. Später sehen wir sie draußen wieder. Sie sitzt auf einem der Stühle vor dem Museum, wartet. Ein jüngerer Mann, vielleicht selbst Jude, kommt zu ihr, sie umarmt ihn fest und lange. Er streichelt sie, wie zum Trost.

An diesem Tag endet diese Ausstellung, womöglich nutzen die Gäste eine letzte Chance, sie zu sehen. In dem verwinkelten Raum ist Ruhe, man redet nicht - es macht sprachlos, was man sieht und liest. Obwohl man dachte, bereits alles gesehen und gelesen zu haben . . .

Völliges Kontrastprogramm im Hetjens-Museum - aber nur bei den Exponaten. Die Ausstellung "der Drache tanzt" präsentiert allerlei schreiend Buntes (und sehr Zerbrechliches) aus China. Wie immer bewegt man sich in diesem Museum immer besonders vorsichtig, man will ja nicht der Elefant im . . .

Na ja, Sie wissen schon.

Riskantes Gedränge muss man an diesem Sonntagmittag auch dort allerdings nicht fürchten. Der Eingang steht zwar weit offen, und das transparente Foyer erlaubt einen weiten Blick auf den alten Hafen und den Rhein - aber hinein geht kaum einer. Dabei gibt es kuriose Dinge zu sehen - z.B. die Nachbildung eines TV-Gerätes aus bunt bemaltem Porzellan. Kalauern muss erlaubt sein: Da hat der tanzende Drache dem Affen aber mal so richtig Zucker gegeben. Nein, fotografieren darf man nicht, jedenfalls nicht den Drachen aus China, sagt die Dame am Empfang. Fragen nach Andrang und Interesse, Besucherzahl und Art der Gäste beantwortet sie, regelrecht misstrauisch, nur mit Ja, Nein, Ja, Nein. Fazit: Ob diese Leere hier gerade ungewöhnlich ist, will sie nicht bestätigen. Aber sie weiß, was man macht, wenn keiner eine Karte will - sie geht mit einer Kollegin auf die Terrasse mit Blick auf den alten Hafen und raucht. Eine Konservendose, als provisorischer Ascher da diskret platziert, erzählt von vielen solcher Pausen. In der Dauerausstellung sind wir, wie im Stadtmuseum, wieder allein und fragen uns, welcher Künstler es wohl war, der dieses großartige Pferd aus Porzellan nachbildete - hunderte von Jahren her, aus einer Dynastie, die auf -ing endet. Doch den tanzenden Drachen, der lockt wohl doch - und zwar eine lebhaft redende und lachende Gruppe junger Frauen und Männer. Schwer einzuordnen sind sie, die meisten schwarzhaarig, eine hat feuerrotes, langes Jahr. Ja, sie sprechen englisch - aber auch deutsch, und zwar sehr gut. Türkische Studenten sind es, von der deutsch-türkischen Uni in Istanbul (nie von gehört!), und nun auf Deutschland-Reise - türkische Studenten gucken in Düsseldorf chinesische Kunst: Sonntagmittag, an einem heißen Tag im August.

Cool, oder?

(RP)
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