Cristina Branco beim Altstadtherbst So schön kann Tristesse sein

Genau die richtige Musik für den ersten trüben Herbsttag des Jahres: Die Sängerin Cristina Branco schickte ihr Publikum auf eine Reise durch die bittersüße Welt der portugiesischen Fado-Musik.

Cristina Branco beim Altstadtherbst: So schön kann Tristesse sein
Foto: Claude Gassian

Am ersten trüben, nebelverhangenen Herbsttag des Jahres ist das Altstadherbst-Kulturzelt am Burgplatz brechend voll — schließlich erweist mit Cristina Branco eine der bekanntesten Fado-Sängerinnen Düsseldorf die Ehre und präsentiert ihr jüngstes Albumprojekt "Kronos". Am Ende gibt es Standing Ovations und einen Anflug von Bierzeltstimmung — doch zuvor lässt sich das Publikum zeitweise von den wehmütigen Melodien und der zurückhaltenden warmen Art der 37-jährigen Cristina Branco anstecken.

Die Liederwelt des Fado hat in den letzten Jahren die Konzertsäle dieser Welt erobert. In den Armenvierteln Lissabons entstanden und auch in der Universitätsstadt Coimbra beliebt, drehen sich die Lieder um die Widrigkeiten, die das Schicksal bereithält.

Cristina Branco spielt für dieses Fado-Revival eine wichtige Rolle: Zusammen mit anderen Sängerinnen wie Mísia und Mariza ist sie eines der Gesichter einer jungen Generation portugiesischer Musiker, die die musikalische Tradition ihres Heimatlands aufgreifen und mit modernen Einflüssen neu präsentieren.

Ein Steinway-Konzertflügel beherrscht die minimalistisch ausgestattete, zu drei Seiten mit weißem Tuch verhangene Bühne. Alle Musiker sind komplett in Schwarz gekleidet, Cristina Branco bestreitet ihren Auftritt in einem weiten, seiden glänzenden Abendkleid.

Sie wird der Fado-Tradition gemäß musikalisch ausschließlich von Männern begleitet: Pianist Ricardo Dias war auch bei ihrem "Kronos"-Projekt federführend, Bernardo Couto spielt virtuos das Griffbrett seiner portugiesischen Gitarre rauf und runter, ein zwölfsaitiges Instrument, dessen Aussehen ein wenig an eine Mandoline erinnert, jedoch einen sehr eigenständigen Klang hat.

Die Rhythmusfraktion, bestehend aus Gitarrist Alexandre Silva und Fernando Maia an der Bassgitarre, sorgt grundsolide, aber auch ein wenig unauffällig für das Fundament der Lieder. Die Töne tropfen gleichsam aus Klavier und portugiesischer Gitarre und muten teilweise wie ein durch die Gassen Lissabons wehender leichter Herbstwind an.

Überhaupt, die Instrumente. Den ersten tosenden Applaus des Abends bekommen die drei Saiteninstrumentalisten — für ihre beschwingt improvisierte Instrumentalnummer in der Mitte des Konzerts, während Branco und Dias sich kurz hinter der Bühne ausruhen. Zuvor begleitet das Publikum die einzelnen Songs mit zwar freundlichem, aber zuerst noch etwas zurückhaltendem Applaus.

Das liegt weniger daran, dass das Konzert nicht gut wäre. Im Gegenteil: Cristina Branco lässt ihre klare, helle und doch voluminöse Stimme die Geschichte ihrer Lieder erzählen. Der Ausdruck in ihrem Gesang und auf ihrem Gesicht übersetzt die Gefühlswelt, die in den portugiesischen Liedtexten ausgedrückt wird.

Eine Opernsängerin ist die spätberufene Portugiesin, die erst im Alter von 18 Jahren zum ersten Mal mit dem Fado in Berührung kam, wahrlich nicht. Doch das muss sie auch gar nicht sein: Sie singt ohne Schnörkel und Vibrato, ihre Stimme klingt warm und zugleich glockenhell. Es ist der Ausdruck ihres Gesangs, der sie so erfolgreich macht, und auch auf ihrem Gesicht spiegeln sich die Emotionen des jeweiligen Liedes. Oft steht sie mit geschlossenen Augen und wehmütig verzogenem Gesicht da und singt Lieder von unglücklicher Liebe und der Sehnsucht nach einer besseren Vergangenheit, um im nächsten Moment mit staunend aufgerissenen Augen und verschmitztem bis verführerischem Lächeln auch ihre verspielte Seite zum Vorschein zu bringen.

Zwischen den Liedern stellt Cristina Branco in kurzen Ansprachen das nächste Lied vor und erklärt dabei zugleich einige Bräuche und Themen ihrer Musik und ihres Heimatlandes Portugal. Das ist einerseits ein Service für das Publikum, in dem die wenigsten die portugiesischen Liedtexte verstehen dürften, anderseits wird auch klar: Cristina Branco versteht sich als Botschafterin ihrer Musik.

Je länger das Konzert dauert, desto warmherziger wird die Beziehung zwischen dem Publikum und Cristina Branco. Während sie zu Beginn fast schon schüchtern, aber professionell zum Publikum redet, erlaubt sie sich später auch den einen oder anderen flotten Spruch. Der gut 100-minütige Auftritt geht überraschend schnell zuende: Mit einem überraschten Gesichtsausdruck quittiert die schwarzhaarige Portugiesin die ersten Akkorde des "Rausschmeißerlieds", die ihr Rhythmusgitarrist anstimmt, "Meu Amor é Marinheiro" (deutsch: Mein Geliebter ist ein Seemann). "Auf Wiedersehen" sagt sie da dem Publikum — später kommt die Band dann aber doch noch für zwei Zugaben auf die Bühne.

Den herbstgeplagten Düsseldorfer beschleicht der Gedanke, wie diese Musik wohl im Sommer, unter freiem Himmel, begleitet vom zirpenden Vögeln in den Bäumen Lissabons oder der Universitätsstadt Coimbra klingen mag. Branco spricht das bereits zu Beginn an: Ihre Musik komme aus dem Süden, wo die Menschen viel Zeit im Freien verbringen. Deshalb wird die Melancholie ihrer Musik immer auch durch einer fast schon greifbaren Lebensfreude ausgeglichen. So schön kann Tristesse sein.

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