Düsseldorf "So etwas soll nie wieder passieren"

Düsseldorf · Beim Gedenken an die Pogromnacht 1938 hatten Kinder und Jugendliche das Wort: Zur Kranzniederlegung an der Kasernenstraße lasen jüdische Grundschüler Wünsche vor, im Rathaus zeigten Gymnasiasten Parallelen zur Gegenwart.

 Oded Horowitz, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde, Oberbürgermeister Thomas Geisel, Landtagspräsidentin Carina Gödecke und Minister Rainer Schmeltzer (v.r.) bei der Kranzniederlegung am früheren Standort der Synagoge an der Kasernenstraße. Links hinten die Viertklässler der Jüdischen Grundschule.

Oded Horowitz, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde, Oberbürgermeister Thomas Geisel, Landtagspräsidentin Carina Gödecke und Minister Rainer Schmeltzer (v.r.) bei der Kranzniederlegung am früheren Standort der Synagoge an der Kasernenstraße. Links hinten die Viertklässler der Jüdischen Grundschule.

Foto: Andreas Bretz

Die Straßenbahn rattert vorbei, der Autoverkehr ebenfalls - und dennoch ist es ein berührender Moment der Ruhe, als die Viertklässler der jüdischen Grundschule an der Kasernenstraße das Lied anstimmen. "Mein Gott, mein Gott, möge es nie enden: der Sand und das Meer, das Rauschen des Wassers, das Strahlen des Himmels, das menschliche Gebet." Es ist "Eli, eli", das hebräische Hoffnungslied der ungarischen Widerstandskämpferin Hannah Szeles. Oded Horowitz, der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf, hat kurz zuvor mit Landtagspräsidentin Carina Gödecke, Oberbürgermeister Thomas Geisel und NRW-Integrationsminister Rainer Schmeltzer Kränze niedergelegt. Hier stand die Synagoge, die in der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November von Nazis in Brand gesetzt worden war.

Jedes Jahr erinnern Jüdische Gemeinde und Stadt daran, was damals auch in Düsseldorf geschah. Diesmal hatten vor allem Kinder und Jugendliche das Wort. Die Grundschüler an der Kasernenstraße lesen ihre Wünsche vor, die sie auf Karten geschrieben haben: "Ich wünsche mir, dass die Juden in Frieden leben", "So etwas soll nie wieder passieren", "Ich gedenke der vielen zerstörten Synagogen", "Ich wünsche mir, dass man nicht wegen seiner Religion sterben muss" - jeder Satz ist berührend.

Nicht viel anders ist es, als bei der zentralen Gedenkstunde im Rathaus Schülerinnen und Schüler des Cecilien-Gymnasiums ans Mikrofon treten. Zuvor war der von ihnen 2013 produzierte Film mit dem Titel "Aber keiner hat etwas gesehen, und keiner hat etwas gewusst" gezeigt worden, in dem die Gymnasiasten die Ereignisse rund um den 9. November 1938 nachzeichnen und Zeitzeugen zitieren oder zu Wort kommen lassen. Sehen die Jugendlichen zwei Jahre später etwas anders? Ja, denn die Parallelen von damals zur Gegenwart mit den Märschen von Dügida und Pegida, mit brennenden Flüchtlingsheimen, machen ihnen Sorgen. "Ich habe Angst, wenn ich mir des Ausmaßes des Fremdenhasses bewusst werde", sagt eine Schülerin. "Wäre es nicht deshalb besser, öffentlich zu gedenken?" Ihre Mitschüler thematisieren die Flüchtlingswelle, die sie an die im Zweiten Weltkrieg erinnere, sie sprechen über die Willkommenskultur, die "schleichend einer undefinierbaren Angst weicht", zeigen Wut und Entsetzen über das, was 1938 "Menschen zu so skrupellosen Ungeheuern machen" konnte und sehen sich in der Verantwortung, "was in unserer Gegenwart und Zukunft passiert". Gödecke spricht in ihrer Rede von einem "erschütternden Zerfall der Menschlichkeit" in jener Nacht 1938 und den darauf folgenden Jahren. "Es sind wieder die Bilder von flammendem Hass, die sich uns heute bieten", sagt Geisel. Die Lehre aus der Pogromnacht sei, "dass wir nicht schweigen, wenn Menschen bedrängt und verfolgt werden". Horowitz betont, es gebe zwar keine Kollektivschuld, "aber eine Verantwortung dafür, dass dies nie wieder passiert".

(dr)
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