Heimat genießen - in Düsseldorf Die Sache mit der Senfkruste

Düsseldorf · Wie eine Wahl-Düsseldorferin ihren ersten Senfrostbraten meistert.

Senfrostbraten: So meistert ihn eine Nicht-Düsseldorferin
Foto: RED

Wer sich als Zugezogener an einer traditionellen Düsseldorfer Spezialität versucht, dessen Probleme fangen ja nicht erst beim Messer-Wetzen und Zwiebel-Häckseln an. Ohne rheinische Vorfahren fehlt es mir (aus dem Bergischen) gleich zu Beginn am passenden, seit Generationen auf (fettfleckigen!) Zetteln weitergereichten Familienrezept samt Geheimzutaten.

Meinen kulinarischen Annäherungsversuch an die Wahlheimat starte ich also mit einer Google-Suche nach "Düsseldorfer Senfrostbraten", die 5000 Ergebnisse bringt. Eine stichprobenartige Lektüre der ersten 30 fördert bloß 29 komplett unterschiedliche Zubereitungsvarianten zutage. Die einzige Zutat, die in allen vorkommt, ist - Überraschung: Senf!

Ohne Mut zur kreativen Entscheidung wird's also nicht gehen. Immerhin sind sich die meisten Rezept-Verfasser einig, dass Senfrostbraten kein klassischer Braten ist, der im Ganzen schmoren darf. Sondern dass es um Kurzgebratenes geht (hier: Rumpsteaks), auf das nach dem Braten eine Senfmischung aufgestrichen wird, ehe es in den Ofen kommt. Bei anspruchsvollen Varianten (Fernsehkoch Alfons Schubeck macht so eine) kommt die Mischung sogar - Donnerwetter - aufs rohe Fleisch, das dann kniffeligerweise mit dieser Seite nach unten in der Pfanne gebraten wird.

Diese Rezepte sortiere ich aber als erstes aus, die Sauerei ist bei Kruste schließlich eh vorprogrammiert - weil die nie richtig am Fleisch hält. Ich habe mal zu Weihnachten einen Braten mit Bratapfelkruste gemacht und danach bis Ostern beim Putzen kleine Bröckchen der Apfel-Zwiebel-Speck-Mischung in den Ecken der Küche gefunden. Würde ich vermutlich noch bis heute, wäre ich nicht nach jenem Ostern umgezogen. Nach Düsseldorf, deswegen ja jetzt der Senfrostbraten.

90 Prozent der Rezepte verlangen gehackte Zwiebeln, die ich vorsichtig in Fett dünste. "Glasig" sollen sie werden, der Übergang zu bräunlich-knusprig passiert allerdings recht schnell. Hier offenbart sich der große Vorteil des Gerichts: In dem ganzen Senf sieht man das später nicht, und der Geschmackstest sagt: alles okay. (Man nennt das wohl Röst-Aromen.) Anschließend verquirle ich die Zwiebeln mit meinen persönlichen Top Fünf aus der Liste möglicher Zutaten: ein Ei, zwei Esslöffel Paniermehl, ein großer Esslöffel gehackte Petersilie, ein großer Esslöffel gehackter Schnittlauch. Kerbel lasse ich weg, ich weiß auch gar nicht, wie der aussieht.

Und dann: Senf! Scharf oder mittelscharf geben die Rezepte vor, und nun gibt es doch noch ein Problem. Als inzwischen weitgehend angepasste Düsseldorferin habe ich immer vier bis fünf Gläser Senf da, also keinen extra besorgt. Aber: Der körnige eignet sich nicht für eine Kruste (dann pappt's erst recht nicht), der milde ist, na ja, zu mild, und die Varianten mit Chili oder Balsamico erscheinen mir nicht würdevoll genug fürs Traditionsgericht. Also schnell die Herdplatte fürs Fleischbraten wieder aus, Schuhe an, Supermarkt. Zurück, Platte wieder an und parallel den mittelscharfen Senf in die Kruste einrühren.

Zwei Minuten werden die Steaks auf jeder Seite scharf angebraten, anschließend löffele ich die Kruste drauf. Und: Die hält. Bombenfest. Da können Sie Ostern gern in meiner Küche in die Ecken schauen, Sie werden nichts finden. Fünf bis sieben Minuten lang muss das Fleisch in den Ofen (ich drehe mächtig auf!), dann ist der Kern immer noch rosa und die Kruste schön knusprig. Bratkartoffeln dazu, Altbier. Ich fühl' mich ziemlich angekommen.

(RP)
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