Düsseldorf Selbsthilfegruppe für Schulschwänzer

Düsseldorf · Die Düsseldorferin Ulrike Sennhenn möchte Eltern ein Forum bieten, deren Kinder keine Lust auf Schule haben.

 Ulrike Sennhenn vor dem Marie-Curie-Gymnasium, das ihr Sohn Daniel jetzt besucht. "Ich will betroffenen Eltern ein Forum bieten", sagt sie.

Ulrike Sennhenn vor dem Marie-Curie-Gymnasium, das ihr Sohn Daniel jetzt besucht. "Ich will betroffenen Eltern ein Forum bieten", sagt sie.

Foto: H.-J. Bauer

Maria Schulz* ist verzweifelt. Die alleinerziehende Mutter eines Sohnes muss morgens pünktlich ins Büro. Schließlich ernährt der Job sie und ihr Kind. Die Dialoge um kurz nach halb acht ähneln sich. Sie ruft dem 15-Jährigen zu: "Du gehst aber gleich." Und der murmelt etwas, das ein "Ja" sein könnte. Nur zur Schule geht der Pubertierende dann oft nicht. Gespräche gab es viele. Mit Lehrern. Mit Psychologen. Viel geändert hat das nach Einschätzung der Mutter nicht.

"Mit der Selbsthilfegruppe Schulverweigerung wollen wir Menschen wie Maria ein neues Forum bieten", sagt Ulrike Sennhenn. Am Donnerstag will sich die Gruppe erstmals treffen. Die Düsseldorferin kennt das Thema aus eigener Anschauung. Ihr Sohn Daniel (14) hatte Probleme auf einem Gymnasium, fühlte sich ungerecht behandelt, weigerte sich wochenlang dort hinzugehen. Die Klassen waren ihm mit bis zu 32 Schülern zu groß. "Es war laut, ich konnte mich schlecht konzentrieren", sagt der Jugendliche. Das Fass zum Überlaufen brachte ein Nachschreibe-Termin für eine Englisch-Klausur. "Der sollte an einem Samstag sein, fand dann gar nicht statt. Angeblich hatte ich das falsch verstanden. So war es aber nicht", erzählt Daniel. Monatelange Auseinandersetzungen und ein Besuch des Ordnungsamtes folgten. Heute geht Daniel auf das Marie-Curie-Gymnasium. "Die Klassen sind kleiner, die Methoden andere. Es ist besser", sagt er.

Schulschwänzen, Schulverweigerung, Schulmüdigkeit - das Thema ist so alt wie die Schule selbst. "Mein Bauchgefühl sagt mir, dass die Probleme zugenommen haben", meint Klaus-Peter Vogel, Leiter der Gemeinschaftshauptschule an der Bernburger Straße in Eller. In fast jeder Klasse gebe es mindestens einen Jungen oder ein Mädchen, die gelegentlich Stunden schwänzen.

Gründe dafür gibt es viele: Beliebt ist bei Mädchen die Eröffnung "hipper" Modeketten, Jungen verdrücken sich schon mal gerne in einen Elektronik-Markt, um Neuerscheinungen für Spielekonsolen auszuprobieren. Einige Elektronik-Märkte haben daraus Konsequenzen gezogen. "Unsere Konsolen bekommen erst ab 14 Uhr Strom. Wir machen das bewusst, um Schulkinder draußen zu halten", sagt Andreas Rösler - selbst Vater von drei Kindern - von der Geschäftsführung des Saturn-Marktes im Sevens.

Die letzte Studie zum Thema Schule schwänzen in Düsseldorf stammt aus dem Jahr 2003. "Danach schwankt die Zahl der Verweigerer je nach Schulform", sagt Stefan Drewes, Leiter der schulpsychologischen Beratungsstelle der Landeshauptstadt. Die Probleme beginnen bereits in der Grundschule, wo seinerzeit 0,7 Prozent der Jungen und Mädchen schon mal unentschuldigt fehlten. Die höchste Rate geben mit neun Prozent die Hauptschulen an. Die Gymnasien liegen mit 4,4 Prozent im Mittelfeld. Weitere Hinweise geben Daten aus dem Ordnungsamt. 398 Mal waren im Schuljahr 2012/2013 Schulversäumnisse Anlass für ein Bußgeld. In 208 Fällen waren Schüler betroffen, in 120 Fällen Eltern, die ihre Kinder nicht zum Schulbesuch angehalten haben.

Die Gründe für den Rückzug von der Schulbank sind unterschiedlich. "Trennungs- oder Suchtprobleme im Elternhaus zählen dazu, aber auch schwierige Schulkarrieren mit Wiederholungen und Schulwechseln", sagt Vogel. Fachmann Drewes nennt Mobbing und Schulangst als weitere Motive. Gar nicht selten spielten auch Eltern eine zweifelhafte Rolle. "Manche reagieren wenig konsequent, weil sie selbst mit dem Thema Schule nichts anfangen konnten. Andere spannen ihre Kinder in die Betreuung jüngerer Geschwister oder in die Familienarbeit ein." Entscheidend aus Sicht des Schulpsychologen ist, bei aufkommenden Problem sofort zu reagieren. Je länger Kinder und Jugendliche fehlten, desto schwieriger werde es, sie in den Schulbetrieb zurückzuführen.

(RP)
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