Düsseldorf Schreckenstaten von Kinderärzten in der NS-Zeit dokumentiert

Düsseldorf · Neue Ausstellung in der Mahn- und Gedenkstätte erinnert an einen "düsteren Abschnitt der Kinderheilkunde".

 Die Kinderärzte Ertan Mayatepek und Arndt Borkhardt eröffneten die Ausstellung "Im Gedenken der Kinder".

Die Kinderärzte Ertan Mayatepek und Arndt Borkhardt eröffneten die Ausstellung "Im Gedenken der Kinder".

Foto: andreas endermann

Fassungslos. So dürfte sich so mancher Besucher der Sonderausstellung in der Mahn- und Gedenkstätte in der Mühlenstraße fühlen. Bis zum 8. Mai werden hier die Gräueltaten von Kinderärzten während der NS-Zeit dokumentiert.

Mehr als 10.000 Kinder fielen zwischen 1939 und 1945 verschiedenen Programmen zur Vernichtung "lebensunwerten Lebens" zum Opfer. Kranke und behinderte Mädchen und Jungen wurden aussortiert, als Probanden für medizinische Experimente missbraucht, zwangssterilisiert, mit Beruhigungsmitteln oder Gas vergiftet, erhängt oder ausgehungert. Die Schreckenstaten unter dem Deckmantel einer menschenverachtenden Ideologie passierten zumeist in sogenannten Kinderfachabteilungen von Kliniken, psychiatrischen Einrichtungen, in Heil- und Pflegeanstalten. In diesen Tötungszentren - schätzungsweise gab es 31 - wurde Kindermord unter der Tarnbezeichnung "Reichsausschuß zur wissenschaftlichen Erfassung erb- und anlagenbedingter schwerer Leiden" systematisiert. Nicht nur das System der medizinisch verordneten Tötungen wird in der Ausstellung "Im Gedenken der Kinder. Die Kinderärzte und die Verbrechen an Kindern während der NS-Zeit" offenbar. Auch Einzelschicksale von Mädchen und Jungen, die für die Nazis als lebensunwert galten, sind anhand von Tafeln und Dokumenten nachzuvollziehen. Etwa jenes von Günther E.

Der Junge stammte aus einer Arbeiterfamilie, die in ärmlichen Verhältnissen lebte. Wegen Verwahrlosung wurden er und seine drei Schwestern 1934 in eine Fürsorgeeinrichtung eingewiesen. Die dortige Heimärztin ließ Günther nach zwei Jahren in eine Einrichtung zur Pflege, Erziehung und Bildung geistig behinderter Kinder verlegen. Im selben Jahr wurden Günthers Eltern nach dem "Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" unfruchtbar gemacht. Ihre vier Kinder kamen 1938 in die Landesanstalt Brandenburg-Görden, Günther wurde der Abteilung für "Schwachsinnige" zugewiesen, nach einiger Zeit als "nicht beschulungsfähig" eingestuft und im Alter von zehn Jahren getötet.

Die Ausstellung der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) hat Arndt Borkhardt, Direktor der Düsseldorfer Klinik für Kinder-Onkologie, -Hämatologie und Klinische Immunologie des Uniklinikums, in die Landeshauptstadt geholt. Sie dient dazu, "an einen sehr düsteren Abschnitt der Kinderheilkunde" zu erinnern, sagte Ertan Mayatepek, Präsident der DGKJ, bei der Eröffnung.

(RP)
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