Laienrichter aus Düsseldorf Vor Gericht ist dieser Mann die Stimme des Volkes

Düsseldorf · Der Düsseldorfer ist seit 2009 Schöffe und entscheidet mit über die Schuld der Angeklagten.

 Michael Haßdenteufel sitzt im Landgericht Düsseldorf. Der 54-Jährige ist seit 2009 Schöffe und hat sich erneut beworben.

Michael Haßdenteufel sitzt im Landgericht Düsseldorf. Der 54-Jährige ist seit 2009 Schöffe und hat sich erneut beworben.

Foto: Andreas Endermann

Der Düsseldorfer Michael Haßdenteufel ist seit 2009 Schöffe. Er entscheidet mit über die Schuld oder Unschuld der Angeklagten. Als er damit anfing, wusste er nicht, worauf er sich einließ, sagt er.

Während unseres Gesprächs in einem Gerichtssaal des Düsseldorfer Landgerichts sitzt Michael Haßdenteufel ausnahmsweise nicht auf seinem gewohnten Platz. Er sitzt nun dort, wo sonst die Staatsanwaltschaft während der Verhandlung Platz nimmt.

Normalerweise sitzt Haßdenteufel im Gerichtssaal auf der Richterbank. Der 54-Jährige ist Schöffe. Schon seit neun Jahren.

Dass er dem Ehrenamt so lange treu bleiben würde, war für ihn 2009 nicht abzusehen. Eher zufällig ist er damals in das Schöffenamt gerutscht. Der IT-Fachrefrent einer Versicherung war Sachkundiger Bürger für die Düsseldorfer FDP. Irgendwann ging eine Liste herum, in die man sich eintragen konnte, falls man Interesse am Schöffen-Amt habe. Wieso eigentlich nicht, dachte sich Haßdenteufel. Er trug sich ein. "Irgendwann bekam ich einen Bescheid vom Amtsgericht, dass ich dort nun Jugendhauptschöffe bin", sagt er.

Zu diesem Zeitpunkt war ihm noch gar nicht bewusst, worauf er sich da eigentlich eingelassen hatte. Auch nicht, welche Bedeutung die Beteiligung ehrenamtlicher Richter in der Strafjustiz eigentlich hat. Und was es bedeutet, gemeinsam mit den Berufsrichtern über die Schuld und die Strafe des Angeklagten zu entscheiden.

Beim ersten Mal hat Haßdenteufel den Berufsrichter, als es im Beratungsgespräch um die Urteilsfindung ging, gefragt: "Soll ich Ihnen jetzt einen Rat geben?" Die Antwort: "Ich will nicht Ihren Rat, ich will Ihr Urteil."

Was die Aufgabe eines Schöffen so verantwortungsvoll macht, ist, dass die ehrenamtlichen Richter das gleiche Stimmrecht wie die Berufsrichter haben. "Auf einmal musste man also als Laie über das Leben und die Zukunft des Angeklagten entscheiden", sagt Haßdenteufel. "Das war schon ein mulmiges Gefühl, weil mir erst dann die Verantwortung des Amtes bewusst wurde."

Er kritisiert, dass Schöffen nicht wirklich auf ihr Amt vorbereitet werden. "Es gibt lediglich eine Einführungsveranstaltung, die bei weitem nicht ausreichend ist. Man lässt die Leute alleine." Der Düsseldorfer bildetete sich deshalb selbst fort, besuchte Kurse, wurde Mitglied in der Deutschen Vereinigung der Schöffinen und Schöffen (DVS), in deren Landesverband er mittlerweile Beisitzer im Vorstand ist und den Landgerichtsbezirk Aachen betreut. Er versucht nun, an andere das weiterzugeben, was er für sich selbst vermisste. Bis zu 15 Stunden wöchentlich wendet er für die Tätigkeit im DVS auf. Sie wurde zu seinem Hobby. Er verhehlt nicht, dass das Amt teilweise auch eine psychische Belastung darstelle. Besonders belastend seien für ihn die Fälle, in denen es um getötete oder misshandelte Kinder gehe, sagt der gebürtige Kamp-Lintforter. "Als Schöffe bin ja verpflichtet, mir die Bilder anzugucken", sagt er. Solche Fälle würden ihn auch zuhause noch beschäftigen. "Ich kann ja auch mit niemandem darüber reden, weil ich es nicht darf", sagt der 54-Jährige.

Rückblickend sagt er deshalb, das Ehrenamt habe ihn verändert. "Vor meiner Zeit als Schöffe habe ich auch oft gesagt, dass Urteile viel zu milde sind", sagt er. "Aber wenn man im Rahmen einer Verhandlung erst einmal alles mitbekommt, also die familiäre Situation, die Kindheit oder die schulischen Leistungen der Jugendlichen, und sich so ein Gesamtbild ergibt, dann sieht man die Dinge anders", sagt Haßdenteufel.

"Viele Jugendliche, die vor uns sitzen, kennen einfach keine Regeln. Oftmals liegt es aber an den Eltern, weil diese es nicht anders vorgelebt haben", sagt er.

So sei er durch seine Erfahrung als ehrenamtlicher Richter zwar empathiefähiger geworden, Mitleid mit den Angeklagten habe er jedoch nicht. "Auch wenn es manchmal schon erschreckend ist zu sehen, wie verwahrlost manche Jugendliche aufgewachsen sind."

Auf die Frage, ob ihm das Amt eigentlich Spaß mache, zitiert Haßdenteufel erneut den Berufsrichter seiner ersten Verhandlung. Er sagte ihm damals: "Sie tragen zwar viel Verantwortung, aber man darf als Schöffe auch Spaß an seinem Amt haben." Haßdenteufel macht es noch Spaß. Er hat sich für eine dritte Amtszeit als Schöffe beworben.

(ate)
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