Intersexuelle Frau klagte erfolgreich Schmerzensgeld für Geschlechtsumwandlung

Wegen einer Geschlechtsumwandlung ohne die notwendige Einwilligung hat das Kölner Landgericht einer 48-jährigen Frau aus Düsseldorf Schmerzensgeld zugesprochen. Im so genannten "Zwitter-Prozess" entschied das Landgericht, dass die intersexuelle Klägerin vom beklagten Chirurgen vor der folgenreichen Operation nicht umfassend informiert worden sei. Die Einwilligung zur Entfernung der intakten Gebärmutter und Eierstöcke sei damit nicht gültig gewesen. Über die Höhe des Schmerzensgeldes wird laut Zivilkammer noch entschieden. Die Klägerin hatte 100.000 Euro gefordert.

 Im so genannten "Zwitter-Prozess" entschied das Landgericht, dass die Klägerin Christiane V. nicht umfassend informiert wurde.

Im so genannten "Zwitter-Prozess" entschied das Landgericht, dass die Klägerin Christiane V. nicht umfassend informiert wurde.

Foto: ddp, ddp

In dem Verfahren geht es um einen Fall von Geschlechterverwirrung: Bei der Geburt war die ungewöhnlich vergrößerte Klitoris des Babys irrtümlich als Penis angesehen worden. Das Kind wurde deshalb von den Eltern als Junge erzogen und erhielt den Namen Thomas. Erst bei einer Blinddarmoperation 1977 fiel auf, dass die Klägerin über eine Gebärmutter und Eierstöcke verfügte. Diese wurden von dem beklagten Kölner Chirurgen ein Jahr später entfernt.

Laut Urteil waren die Ärzte vor der Operation davon ausgegangen, dass sich die weiblichen Geschlechtsorgane in einem hochgradig verkümmerten Zustand befunden hätten. Doch sei dies ein Irrtum gewesen, wie der Chirurg bei der Operation erkannt habe, erklärte der Vorsitzende Richter Dietmar Reiprich.

Der Arzt habe damals bemerkt, dass entgegen den Erwartungen keine Anzeichen für eine gemischt weiblich-männliche Geschlechtlichkeit vorlägen. "Die Klägerin war von der Anatomie her völlig weiblich, daher hätte er die Operation ohne eine neue Einwilligung nicht fortsetzen dürfen", erklärte Reiprich. Die Krankenschwester aus Düsseldorf habe deshalb einen Anspruch auf Schmerzensgeld.

"Das Urteil ist Balsam für meine wunde Seele", sagte die Klägerin, eine Düsseldorfer Krankenschwester, nach der Verkündung. "Ich wurde durch die Medizin gegen meinen Willen zum Mann gemacht, damit muss ich leben. Aber ich hoffe nun auf eine menschwürdigere Behandlung", erklärte die 48-Jährige, die als Thomas auf dem Personenstandsregister eingetragen ist, sich selbst aber Christine nennt.

Die Entscheidung der Kölner Zivilkammer wertet die Krankenpflegerin auch als Chance für viele weitere Leidensgenossen, die wie sie von der Medizin als intersexuell bezeichnet werden. "Die Tabuisierung der Zwitter muss aufhören und ich hoffe, dass sich viele meinem Beispiel anschließen und für ihre Rechte kämpfen", betonte sie. Von einem Präzedenzfall wollte ihr Anwalt nach der Entscheidung allerdings nicht sprechen: Dafür sei der Fall seiner Mandantin zu speziell, sagte Georg Groth.

(ap)
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