Düsseldorf Schmeling bestritt ersten Kampf in Düsseldorf

Düsseldorf · Die Box-Legende feierte ihr Debüt als Profi 1924 in der Tonhalle. Die Stadt brachte ihm Glück.

 Ein Bild aus den frühen Tagen des erfolgreichsten deutschen Schwergewichtlers: Max Schmeling kam als junger Mann aus Hamburg nach Düsseldorf.

Ein Bild aus den frühen Tagen des erfolgreichsten deutschen Schwergewichtlers: Max Schmeling kam als junger Mann aus Hamburg nach Düsseldorf.

Foto: Imago

Beklommenheit macht sich in Max Schmeling breit, als er mit gerade einmal 17 Jahren am Hamburger Hauptbahnhof in den Zug steigt. Der Holzklasse-Wagon schlägt auf den Schienen dermaßen hin und her, dass ihm das Herz bis zum Hals pocht. Alles riecht beißend nach Braunkohle, Schmeling bekommt während der Fahrt kein einziges Auge zu. Sein Ziel: Düsseldorf. Dort kennt er keine Menschenseele, er hat weder Geld noch eine Arbeitsstelle und weiß noch nicht, wo er wohnen soll.

Schmeling sieht ein Jahr zuvor in einem Hamburger Kino einen Weltmeisterschaftskampf, Jack Dempsey schlägt Georges Carpentier in der vierten Runde spektakulär K.o. Fast jeden Abend schaut er sich diesen Kampf an, gibt fast sein gesamtes Lehrlingsgehalt dafür aus. Er hat eine Besessenheit für den Boxsport entwickelt. Zu der Zeit ist er bei der Hamburger Baufirma Otto Meyer als Rohrbieger tätig. Dort säuselt ihm sein ebenfalls vom Boxen begeisterter Arbeitskollege Matthias Jung ins Ohr, zusammen ins Rheinland zu gehen. In Hamburg werde das mit der Boxkarriere nie etwas, im Westen dagegen seien unter der englischen Besatzung in Teilen des Rheinlands viele Boxsportvereine entstanden; wer was werden will, muss dahin. Seine Eltern versuchen ihn von seinem Unterfangen abzuhalten und sein Arbeitskollege bekommt am Ende kalte Füße. Doch Schmeling bricht auf. Alleine.

Die Arbeitssuche im Düsseldorf von 1922 ist für einen ungelernten Lehrling wie ihn katastrophal. Das Rheinland ist von den Siegermächten besetzt, die Inflation bedrückt die Menschen. Vor den Lebensmittelgeschäften bilden sich Schlangen, die Stimmung ist aufgeladen, aggressiv. Von Büro zu Büro läuft Schmeling fragend, nach Arbeit suchend. Die Brunnenbaufirma Capito & Klein nimmt ihn schließlich auf. Der neue Lehrling ist kräftig und am Boxen interessiert, das fällt auch Schmelings Firmenchef Karl Klein auf. Er vermittelt ihn zum ortsansässigen "Ring- und Stemmclub Gleichheit" in Benrath, wo er abends nach der Arbeit Gewichte stemmt und ringt. In Kneipen verblüfft er schon damals die Leute, indem er Rundkopfnägel mit der hohlen Hand durch Bretter schlägt. "Das war damals eine harte und wilde Zeit. Doch die hat mir später geholfen, bodenständig zu bleiben", so Schmeling.

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Der Kraftsport ist jedoch nicht das Richtige für angehende Boxer, da die Muskeln falsch beansprucht werden. Durch den Umzug seiner Firma kommt er schließlich zum "Schäl Sick", einem Boxclub in Köln-Mühlheim. Da Boxen zur Kaiserzeit noch verboten war und lediglich eine Hand voll Soldaten diesen Sport aus englischer Kriegsgefangenschaft mit nach Deutschland brachten, gibt es nicht allzu viele Gegner. Schmeling kämpft zunächst um die westdeutsche, 1924 dann um die deutsche Amateurmeisterschaft im Halbschwergewicht, er bringt 150 Pfund auf die Waage. In Chemnitz unterliegt er dabei im Finale dem erfahrenen Linkshänder Otto Nispel knapp nach Punkten, zieht damit aber die Aufmerksamkeit des im Publikum befindlichen Kölner Managers Hugo Abels auf sich. Dieser spricht Schmeling an: "Sie sind ein begabter Mann, sie sollten Profi werden. Ich würde Sie managen." Schmeling willigt ein, damit ändert sich sein Tagesablauf dramatisch. Das Training nimmt die Hauptrolle ein, er muss strikt Diät einhalten, kein Alkohol, keine Zigaretten mehr.

Drei Qualifikationskämpfe gegen erfahrene Amateurboxer sieht der Boxverband vor, sollte jemand das Anliegen vorbringen, ins Profilager wechseln zu wollen. Den Ersten davon muss Max Schmeling in der Düsseldorfer Kaiserhalle gegen Hans Czapp bestehen. Sein Gegner, auch "Schäng" genannt, ist fünf Jahre älter und Berufspolizist aus Oberkassel. Da er bekannter ist, geht Czapp als Favorit in den Kampf, 120 Reichsmark kassiert er, Schmeling nur 80.

Boxkämpfe in großem Rahmen zu organisieren ist 1924 keine einfache Angelegenheit, die französischen Besatzungstruppen beschlagnahmen 23 öffentliche Gebäude, darunter das Landgericht, das Polizeipräsidium, Schloss Jägerhof und auch die Tonhalle. In der Bevölkerung ist der Unmut darüber zu spüren, 10 000 Menschen wandern aus Düsseldorf aus. Der Kaisersaal wird jedoch nicht besetzt.

Dieser nach Kaiser Wilhelm I. benannte Konzertsaal ist 42 Meter lang und 24 Meter breit und für seine gute Akustik bekannt. Normalerweise findet sich hier betuchteres Publikum ein. Am Abend des 2. August 1924 fasst er aber 1000 Boxsportfans aus allen Schichten.

Auf den Schildern steht angekündigt:

Schleiser gegen Buchanan

Czapp gegen Schmeling

Drehkopf gegen Lewis

Steffgen gegen Jones

Die Düsseldorfer Mittagszeitung analysiert den an Nummer zwei angesetzten Kampf in ihrer Vorankündigung so: "Der Düsseldorfer Czapp hat als Gegner den zweiten Amateurmeister im Halbschwergewicht, Max Schmeling. Czapp hat zwar in diesem Kampf die größere Ringerfahrung, wird jedoch auf keinen Fall Schmeling so leicht und schnell besiegen können, wie seinen letzten Gegner."

Schmeling betritt den Ring diesmal mit anderen Gefühlen als bisher. Nicht der sportliche Ehrgeiz treibt ihn an, denn von nun an hängt seine Existenz von Sieg oder Niederlage ab. Die erste Runde läuft noch gut für Czapp, die Erfahrung macht sich bezahlt. Schmeling startet nervös, abwartend. Doch mit der Beweglichkeit des 18-Jährigen kann Czapp im Folgenden nicht mithalten. Schon in der zweiten ist Schmelings abtastendes Verhalten vorbei, er wird mutiger. Die schwere Rechte ist sein Trumpf und prompt fängt sich der Oberkasseler einen Haken, der für die Dauer des Kampfes entscheidend ist. Man hätte den Kampf schon früher abbrechen müssen, Czapp sitzt im Folgenden mehr am Boden als er steht, immer wieder schlägt die Rechte ein. Nach einem heftigen Schlag aufs linke Ohr gibt er in der sechsten Runde schließlich auf. Technischer K.o.

Das Box-Kommitee ist von diesem Auftritt derart beeindruckt, dass es Schmeling die beiden anderen Qualifikationskämpfe erlässt. Schmeling wird Profi. Und deutscher Jahrhundertsportler.

(RP)
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