Salafistenprozess in Düsseldorf Richter lädt komplette Familie als Zeugen vor

Düsseldorf · Er führte seine Frau an einer Kette durch die Wuppertaler Innenstadt: In Düsseldorf steht ein Anhänger des Salafistenpredigers Sven Lau vor Gericht. Laut Anklage wollte er sich zum IS-Kämpfer ausbilden lassen. Jetzt sollte seine Familie aussagen.

 Der Angeklagte Muhammed H. (21) mit seinem Verteidiger Mutlu Günal beim Prozessauftakt am 20. November 2017.

Der Angeklagte Muhammed H. (21) mit seinem Verteidiger Mutlu Günal beim Prozessauftakt am 20. November 2017.

Foto: dpa, ve fpt

Die Familie des Hauptangeklagten Muhammed H. (21) erschien auch vollzählig: Darunter unter anderem sein Vater Atilla G. (48), der in der Salafisten-Szene ein bekannter Prediger ist, und die 22-jährige Frau des Angeklagten. Sie hatte Muhammed H. einst an einer Kette durch die Wuppertaler Innenstadt geführt, wie vor dem Prozess bekannt wurde. Aussagen mussten sie jedoch nicht. Familienangehörige müssen vor Gericht nicht aussagen.

Muhammed H. und sein Mitangeklagter Burak H. (26) müssen sich seit vergangener Woche Montag vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht verantworten, weil sie 2014 gemeinsam über den Flughafen Köln/Bonn und die Türkei nach Syrien ausgereist sein sollen. Beide sollen unabhängig voneinander Kontakte für eine Ausreise in der mittlerweile geschlossenen "Millatu-Ibrahim"-Moschee in Solingen geknüpft haben. Sie galt in der Szene als Anlaufstelle für Ausreisewillige.

Laut Anklage sollen beide Beschuldigte sich als Kämpfer für den IS gemeldet haben. Sie sollen in ein Ausbildungslager gekommen sein, das sie aber nach einer Woche abbrachen. Mitte Juli 2014 sollen die beiden über die Türkei wieder zurück nach Deutschland gereist sein.

Der Hauptangeklagte schweigt bislang. Er wurde im August 2015 am Flughafen Düsseldorf festgenommen, weil er erneut versucht haben soll auszureisen - dieses Mal mit seiner Ehefrau. Während des Prozesses sitzt H. in Untersuchungshaft, er muss im Gerichtssaal hinter Sicherheitsglas sitzen. Verhandelt wird im Hochsicherheitstrakt des Oberlandesgerichts.

Der Mitangeklagte, der ihn mit seiner Aussage belastet, ist hingegen von der Haft verschont und kann neben seinen Anwälten auf der Anklagebank Platz nehmen. Burak H. gab vergangene Woche an, über Internetvideos von Pierre Vogel und Sven Lau zum radikalen Islam gekommen zu sein. Auch Muhammed H. wird dem Umfeld von Sven Lau zugerechnet.

Die Mutter, seine Schwester und die Schwiegermutter waren am Mittwoch als weitere Zeugen geladen. Auch von ihnen bekam der Richter keine näheren Informationen über die Ausreise von Muhammend H.

Nur auf die Aussage der Cousine des Angeklagten, Sandy S. (26) bestand der Vorsitzende Richter Lars Bachler. Sie sollte dem Senat eigentlich Fragen zu den Ausreiseplänen ihres Cousins beantworten. Chatverläufe in den Untersuchungsakten legen nahe, dass S. von dem Vorhaben ihres Cousins erfahren haben könnte. Doch zu der Aussage kam es nicht.

S.s Rechtsanwältin verwies auf das Auskunftsverweigerungsrecht ihrer Mandantin. Sollte S. tatsächlich von den Ausreiseplänen gewusst, diese aber der Polizei nicht angezeigt haben, hätte sie sich möglicherweise strafbar gemacht. Und vor Gericht muss man sich nicht selbst belasten. Der Richter sah das zunächst anders, biss aber bei der Zeugin und ihrem Zeugenbeistand auf Granit.

Schließlich musste S. nur drei Fragen zur Vergangenheit des Angeklagten beantworten, unter anderem, ob er einen Schulabschluss habe. Damit ist die Aussage für das Gericht praktisch wertlos.

Dass Zeugen gar keine oder keine umfassenden Aussagen machen, passiert in Islamisten-Prozessen häufiger. Familienangehörige sagen in der Regel nichts, Zeugen aus der Szene berufen sich oft auf ein Auskunftsverweigerungsrecht, um sich nicht selbst zu belasten. Das Schweigen der Zeugen macht diese Prozesse oft langwierig und zäh.

(heif)
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