Analyse Ruf der Industrie ist besser geworden

Düsseldorf · Die Nacht der Industrie findet seit fünf Jahren statt. Am 26. Oktober können Bürger hinter die Werkstore schauen. Die Akzeptanz von Industrie soll so erhöht werden. Tatsächlich sind viele Anwohner zwar gegen Neuprojekte, selten aber gegen bestehende Betriebe.

Besonders in den 1980er Jahren war das Image der Düsseldorfer Industriebetriebe vor allem eines: schlecht. Es lag nicht nur am grünen Zeitgeist, dass das so war. Viele Betriebe waren laut, geruchsintensiv und teils umweltgefährdend. Das prägte das Image der Industrie in der Großstadt viele Jahre. Doch seither ist viel geschehen. Umweltauflagen und Sicherheitsanforderungen sind weitaus höher als noch vor 25 Jahren. Dass Betriebe ungeklärt Wasser aus ihren Werken in den Rhein leiten, ist heute undenkbar.

Die Sichtweise auf die Industrie ist in der Industriestadt Düsseldorf heute differenziert. Manche, die in direkter Umgebung zur Industrie leben, leiden unter den Emissionen. Ein junges Paar etwa, das nach dem Studium etwas uninformiert an die Fruchtstraße in Bilk gezogen ist, musste feststellen, dass die nahe Papierfabrik übel riecht. Das sind zwar heute nur noch wenige Stunden pro Woche, viel weniger als früher, aber dem Paar, beide stammten aus ländlichen Gegenden, war das zu viel. Sie zogen nach Volmerswerth um, dort gibt es keine Industrie.

Die Stimmung gegen Industrie entsteht aber heute kaum noch an etablierten Standorten. Die meisten Menschen, die die Industrie als Nachbarn kennen, leben im Süden der Stadt, wo Henkel und BASF, Terex und Komatsu oder Vallourec sitzen. Doch Bürgerinitiativen, die sich gegen diese etablierten Firmen richten würden, gibt es nicht. Viele arbeiten selbst bei Henkel, taten es einst, und sind gerade deshalb in den Düsseldorfer Süden gezogen. Die Besiedlung folgte der Industrie, und daher halten sich Beschwerden in Grenzen, auch wenn die Schlote beim Sonnenbaden im Garten unübersehbar sind. Auch bei Daimler, Düsseldorfs größtem Industrieunternehmen, gibt es nach eigenen Angaben "mal Beschwerden über parkende Fahrzeuge", aber eine direkte Industriefeindlichkeit spürt der Autobauer nicht.

Anders ist das bei Neubau-Projekten. Gegen den geplanten Ausbau des Reisholzer Hafens regt sich in der aktiven Bürgerinitiative "Hafenalarm" reger Widerstand. Und auch mehr Starts und Landungen am Airport bringen die organisierten Fluglärmgegner auf die Palme.

"Mehr Wachstum für die Industrie hängt nicht nur von den harten Fakten ab, sondern auch von der Akzeptanz in der Bevölkerung. Um diese zu gewinnen, bedarf es eines langen Atems, großer Transparenz, Offenlegung von Investitionsvorhaben und der frühen Beteiligung von Bürgern", sagt der Hauptgeschäftsführer der IHK, Gregor Berghausen. Und es bedürfe der Möglichkeit, Industrie erleben zu können. "Hier sind wir über die fünf langen Nächte der Industrie ein ganzes Stück vorangekommen, wie die stets ausgebuchten Touren zeigen", sagt Marion Hörsken, bei der Kammer als Geschäftsführerin zuständig für Industriethemen. Die Lange Nacht der Industrie öffnet die Tore für Besucher. Am 26. Oktober können Interessierte bei geführten Touren mehrere Betriebe besuchen. Anmeldungen dafür sind unter www.langenachtderindustrie.de kostenlos möglich. 76 Betriebe machen mit, 3500 Plätze gibt es. Die Nacht scheint zumindest in Düsseldorf Wirkung zu zeigen. Menschen, die sich radikal gegen Industrie aussprechen, sind schwer zu finden.

In der Politik war das lange anders. Selbst die unternehmensnahe CDU-Stadtspitze der vergangenen Jahre hätte lange Zeit lieber den Modestandort und die Werbehauptstadt ausgebaut, Banken und Anwälte angelockt. Doch noch zur Amtszeit des CDU-Oberbürgermeisters Dirk Elbers einigten sich Politiker, Kammern, Verbände und Unternehmen auf den Mastplan Industrie, der Gewerbeflächen erhalten und Rahmenbedingungen für die Industrie verbessern soll. Irgendwelche Proteste dagegen gab es zu keiner Zeit in Düsseldorf.

Mittlerweile ist die "Industriestadt" in den Köpfen der Stadtregierung endgültig angekommen. "Düsseldorf wäre heute nicht so stark, wie die Stadt ist, ohne ihre Industrie, das sollten sich auch jene ins Stammbuch schreiben, die Düsseldorf als reine Dienstleistungs- und Finanzmetropole sehen", sagte Oberbürgermeister Thomas Geisel SPD erst kürzlich vor Gewerkschaftern. Solche deutlichen Worte kannte man vor einigen Jahren noch nur von Industrie-Lobbyisten.

(tb.)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort