Forensische Nacht zum "Tatort" Rechtsmediziner sezieren Professor Börne

Düsseldorf · Für das rechtsmedizinische Institut der Düsseldorfer Universität ist der Tatort-Kollege aus Münster nicht gut genug - zu diesem Ergebnis kamen Wissenschaftler und Kripo bei der Forensischen Nacht.

 Stefanie Ritz-Timme vom rechtsmedizinischen Institut der Düsseldorfer Universität übte Kritik am Tatort-Mediziner.

Stefanie Ritz-Timme vom rechtsmedizinischen Institut der Düsseldorfer Universität übte Kritik am Tatort-Mediziner.

Foto: andreas Endermann

Wenn Stefanie Ritz-Timme nach ihrem Beruf gefragt wird, dann hört sie seit gut 14 Jahren immer wieder "Ach, wie der Börne." Lange hat sie das nicht verstanden, sagt die Chefin der Düsseldorfer Rechtsmedizin. "So viele von uns gibt's ja auch nicht, und ich habe mich gefragt, wer denn dieser Professor ist und warum ich den nicht kenne."

Das hat sich nun geändert, denn für die siebte Auflage der Forensischen Nacht hat sie sich intensiv mit dem TV-Tatort beschäftigt und die Episode aus Münster "Eine Leiche zuviel" gemeinsam mit ihrer Kollegin Britta Gahr, dem Spurensicherungsexperten Andreas Fritsch und dem Kriminalpolizisten Udo Moll gewissermaßen seziert. Das Ergebnis dürfte nicht überraschen. Mit Börne einen Rotwein trinken: gerne. Aber in ihrem Team möchte Ritz-Timme den Professor lieber nicht haben. Vor allem, weil sie ständig fürchten würde, die Leichen im Keller der Rechtsmedizin seien womöglich gar nicht tot.

Das nämlich war der gröbste Schnitzer der Tatort-Macher: Börne schaut der dritten Leiche bloß kurz unters erschlaffte Augenlid und konstatiert den Tod, der vor höchstens zehn Minuten eingetreten sei. Sichere Todeszeichen wie Leichenflecken oder Totenstarre aber seien frühestens nach 20 Minuten überhaupt erst feststellbar, erklärt Ritz-Timme. Und nicht nur das: Der Fernsehtote, der mit einer Giftspritze in den Bauch gemeuchelt worden war, war aus Sicht der Rechtsmediziner nicht nur nicht sicher tot, sondern hätte womöglich noch gerettet werden können. Börne also nicht nur ein nachlässiger Professor, sondern auch noch einer, dem unterlassene Hilfeleistung vorgeworfen werden könnte.

Was nicht sein einziger juristischer Fehlgriff in dieser Folge war: DNA-Reihenuntersuchung ohne Gerichtsbeschluss oder Haarprobensicherung beim Abendessen in einer Serviette - das sind die Szenen, die Andreas Fritsch auch zuhause nicht unkommentiert lassen kann, weshalb seine Frau oft klagt, dass man mit ihm nicht fernsehen könne. Aber wie soll man auch schweigen, wenn der Professor im Armani-Anzug durch den Tatort stapft, an dem sich alle anderen in Schutzanzügen in Acht nehmen, um keine Spuren zu zerstören, und er sich dann auch noch direkt neben dem Toten auf den Boden fallenlässt?

Wundmorphologie, Leichenarbeit und tödliche Unfälle mit einem Dönerspieß sind nichts für zarte Gemüter, und trotzdem war das Publikum mal wieder begeistert von den charmant präsentierten Fakten aus der sonst eher im Stillen arbeitenden Rechtsmedizin. Gut für den Seelenfrieden war dabei sicher auch die wunderbare Stimme von Gosia Rogalla, die mit Gitarrist Horst Winstermann und sanften Balladen das Programm umrahmte.

Auch Börnes Kommissar-Kollege kam bei den echten Ermittlern nicht ausschließlich gut weg. Die müssen sich fremdschämen, wenn die Fernsehkripo grün um die Nase wird, wenn's in den Obduktionssaal geht. Die echte Kripo kann gar nicht ablehnen, dabei zu sein, wenn die Rechtsmediziner eine Leiche öffnen. Sie müssen es sogar, und dabei Fotos machen und was sonst so nötig ist. Dafür bekommen die Polizisten übrigens jedes Mal zehn Euro. Bei Thiel wird's wohl ein bisschen mehr sein. Aber der macht schließlich auch keine Polizeiarbeit, sondern eine Unterhaltungssendung.

Am Ende waren sich die echten Kriminalisten deshalb auch einig: Ein paar Ungenauigkeiten sind dabei, aber so schlecht ist der Tatort nicht. Und eins würden sie gern ins echte Leben übernehmen: Ihre Fälle, auch die ganz rätselhaften, in 90 Minuten klären zu können.

(RP)
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