Prozess um Anschlagspläne in Düsseldorf Kein Fernsehen, keine Zigaretten beim IS

Der Hauptangeklagte Saleh A. im Prozess wegen des geplanten Bomben-Attentats in der Düsseldorfer Altstadt ist auch gleichzeitig der Kronzeuge: Am Donnerstag ging es jedoch noch nicht um die Terror-Pläne, sondern um seine Zeit als Söldner in Syrien.

Prozess wegen geplantem IS-Attentat in Düsseldorf beginnt
4 Bilder

Prozess wegen geplantem IS-Attentat in Düsseldorf beginnt

4 Bilder
Foto: dpa, mku axs

Die Vorsitzende Richterin Barbara Havliza reibt sich gleich mehrfach die Augen. Es ist der zweite Verhandlungstag im Prozess gegen drei mutmaßliche IS-Attentäter, die einen Anschlag in der Düsseldorfer Altstadt geplant haben sollen. Auch am Donnerstag sitzt ihr der Hauptangeklagte Saleh A. (30) gegenüber, heute in schwarzem T-Shirt, Jeans und Turnschuhen.

Saleh A. ist kein Abziehbild eines Terrorkämpfers. Er trägt seine Haare kurz, sein Bart ist gestutzt, seine Hose endet nicht über dem Knöchel. So wie ein überzeugter Salafist oder religiöser Eiferer präsentiert er sich gerade nicht — und auch innerlich scheint Saleh A. kein ideologisch verbrämter IS-Anhänger gewesen zu sein. Jedenfalls deutet bislang nichts darauf hin.

Das Bild, das sich aus der Anklage ergibt, und das Bild, das der Angeklagte im Gerichtssaal abgibt, wollen nicht recht zusammenpassen. Der Bundesanwalt Tobias Engelstätter hatte am Mittwoch noch einmal die grausamen Anschlagspläne vorgetragen. Saleh A. und die anderen Angeklagten Hamza C. und Mahood B. sollen zusammen mit weiteren Komplizen ein Sprengstoff-Attentat ausgeheckt haben. Zunächst sollten sich zwei Attentäter mittels Sprengstoffwesten auf der Bolkerstraße oder der Andreasstraße in die Luft sprengen. Dann sollten weitere Attentäter mit je zwei Kalschnikows auf fliehende Passanten feuern und danach ebenfalls einen Sprengstoffgürtel zünden. Ein Anschlag, der nur verhindert wurde, weil Saleh A. sich in Frankreich den Behörden stellte.

Wer bereit ist, so etwas zu tun, muss ideologisch voll auf Linie sein — davon ist Barbara Havliza überzeugt. Diese Linientreue kann sie bei Saleh A. bisher nicht feststellen. Der Islam sei für ihn von Kindheit an alltäglich gewesen. "Ich war kein religiöser Fanatiker", hatte Saleh A. am Mittwoch gesagt. Doch warum es dazu kam, dass er sich schließlich dem IS anschloss, bis dahin ist die Richterin auch am Donnerstag noch nicht vorgedrungen.

Das ist der Hochsicherheitstrakt des Oberlandesgerichts Düsseldorf
5 Bilder

Das ist der Hochsicherheitstrakt des Oberlandesgerichts Düsseldorf

5 Bilder
Foto: Endermann, Andreas (end)

Der Hauptangeklagte ist gleichzeitig der Kronzeuge des Prozesses. Für seine Aussage sind gleich mehrere Verhandlungstage zu Beginn des Prozesses reserviert. Die Befragung läuft zäh, drei Dolmetscher sind nötig, um die Fragen der Richterin vom Deutschen ins Arabische und die Antworten des Angeklagten vom Arabischen ins Deutsche zu übersetzen. Manchmal muss die Richterin ihre Frage drei, vier mal wiederholen, bis Saleh A. klar wird, was sie wissen will.

Saleh A. möchte umfassend aussagen, nicht zu seiner Person und seinem Werdegang, sondern vor allem zu den Tatvorwürfen. Und die reichen bis ins Jahr 2013 zurück, nach Syrien, wo Saleh A. gegen das Regime von Baschar al-Assad gekämpft hat — und dabei auch einen Menschen "von Angesicht zu Angesicht" tötete, wie er sagt. Aus Notwehr, weil der Mann als Scharfschütze erst seinen älteren Bruder und dann seinen Cousin exekutiert hatte. Das soll sich im Februar 2013 ereignet haben.

Der Angeklagte will Syrien für mehrere Monate verlassen haben

Jahresrückblick - Kriminalfälle und Prozesse 2016 in NRW
21 Bilder

Jahresrückblick - Kriminalfälle und Prozesse 2016 in NRW

21 Bilder
Foto: dpa, hjb mhe nic

Der Angeklagte will sich nach dem Tod seines Bruders sogar für mehrere Monate von jeglichen Kampfhandlungen ferngehalten haben. Im April 2013 heiratete er seine Frau, ging ein paar Wochen später mit ihr für zwei Monate in den Libanon. "Weil ich das Leben dort nicht mehr ertragen habe. Ich habe das Leben gehasst", sagt er der Richterin am Donnerstag.

Zu diesem Zeitpunkt hätten sich mehrere Organisationen um die Macht in der Provinz Raqqa im Norden Syriens gestritten. Darunter die nicht-islamistische Freie Syrische Armee (FSA), die islamistische Al-Nusra-Front und später der IS. "Da habe ich mir gewünscht, ich hätte nie an der Revolution teilgenommen", sagt Saleh A.. Auch seine Kampfeinheit, der FSA, habe sich der Al-Nusra-Front angeschlossen. Damit habe eine religiöse Indoktrination begonnen. Das habe ihm nicht gepasst. "Zum Beispiel durften wir plötzlich nicht mehr rauchen und nicht mehr fernsehen, weil das gegen den Islam verstoßen soll", sagte Saleh A.. Saleh A. gibt hauptsächlich politische Motive für sein Handeln an. Er habe das Volk vom Machthaber Baschar al-Assad und dessen Handlangern befreien wollen.

Die Vorsitzende Richterin fragt immer wieder nach und nähert sich in Zeitlupe den zentralen Punkten der Anklage: nämlich den Anschlagsplänen in Düsseldorf. Aber langsam entfaltet sich ein Bild vom Leben des Angeklagten in Syrien und seiner Zeit als militanter Kämpfer. Er erscheint als Mensch, der vieles anfing — ein Informatik-Studium, ein eigenes Geschäft — aber nichts zu Ende machte. Er passte sich den politischen Gegebenheiten an, entwickelte aber keine Idee für sein eigenes Leben.

Die Richterin will wissen, warum er trotz des um sich greifenden religiösen Fundamentalismus bei der Gruppe geblieben sei. "Ich habe mir irgendwann gedacht, wenn ich diese Gruppe verlasse, verlasse ich die Gemeinschaft", sagt Saleh A. und vergleicht die Organisation mit einem Ozean, in den man hineinspringt. "Entweder man stirbt oder es passiert, was mit mir passiert ist: man wird nach Deutschland geschickt."

Nicht ins Bild passt auch die Aussage, er sei 2013 in Syrien auf einer geheimdienstlichen Mission gewesen. Nach unbestätigten Medienberichten soll A. später mit dem türkischen Geheimdienst zusammengearbeitet und mehrere Anschläge des IS aufgedeckt und damit verhindert haben soll. Doch dazu will Saleh A. nichts sagen.

(heif)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort