Interview Anja Steinbeck Und Hans E. Ulrich "Privathochschulen sind nicht elitär"

Düsseldorf · Der Präsident der IST-Hochschule hält 12.500 Euro Studiengebühren für erträglich, die Rektorin der Heine-Uni Privathochschulen für fast schulisch.

 Anja Steinbeck, Rektorin der Heinrich-Heine-Universität, besuchte während ihres Studiums in Mainz Vorlesungen in einem unbeheizten Zelt mit 1000 Studenten und findet, dass man an einer Hochschule eben Kampfgeist entwickeln müsse. IST-Präsident Hans E. Ulrich hält kleine Seminargruppen und flexible Studienangebote wie E-Learning für wichtig.

Anja Steinbeck, Rektorin der Heinrich-Heine-Universität, besuchte während ihres Studiums in Mainz Vorlesungen in einem unbeheizten Zelt mit 1000 Studenten und findet, dass man an einer Hochschule eben Kampfgeist entwickeln müsse. IST-Präsident Hans E. Ulrich hält kleine Seminargruppen und flexible Studienangebote wie E-Learning für wichtig.

Foto: hans-jürgen Bauer

Düsseldorf hat sich zu einer Hochburg für Privathochschulen entwickelt: Neben den vier staatlichen gibt es inzwischen zwölf private Hochschulen mit mehr als 7000 Studenten. Damit hat sich die Zahl der Studierenden an privaten Hochschulen seit 2011 fast verdreifacht. Ist das eine besorgniserregende Entwicklung? Ein Annäherungsversuch mit der Rektorin der Heine-Universität, Anja Steinbeck, und dem Präsidenten der privaten IST-Hochschule für Management in Bereichen wie Sport und Tourismus, Hans E. Ulrich.

Frau Steinbeck, werden ein Studium und gute Studienbedingungen immer mehr zu einer Frage des Geldes?

Steinbeck Nein, schon für rund 270 Euro pro Semester bekommen Sie bei uns eine gute Ausbildung, und darin ist sogar ein NRW-Ticket enthalten.

Immer mehr junge Menschen entscheiden sich aber, auch wegen des Ansturms der doppelten Abijahrgänge, für eine Privathochschule. Schrecken überfüllte Hörsäle, die Sorge, nur eine Matrikelnummer zu sein, knappe Personalausstattung und geringe Praxisorientierung vom Studium für 270 Euro pro Semester ab?

Steinbeck Vielleicht. Die Universitäten erreichen mittlerweile das Ende ihrer Kapazitäten. Viele junge Menschen haben aber auch unterschiedliche Bedürfnisse, Fähigkeiten und Geldbeutel. Einige brauchen vielleicht die enge Begleitung an Privathochschulen, die fast schulisch ist, anstatt eigenverantwortlich an einer Universität mit 30.000 Studenten zu studieren.

Herr Ulrich, was bekommt man für die 12.500 Euro, die man bei Ihnen für ein sechssemestriges Studium bezahlen muss?

Ulrich Einerseits auch die staatlich anerkannten Studienabschlüsse Bachelor und Master. Andererseits aber eben auch sehr praxisorientierte Studienfächer, mit Fitness and Health Management oder Eventmanagement auch solche, die Sie nicht unbedingt an einer staatlichen Hochschule finden. Mit einem Dozenten für 30 Studenten haben wir zudem ein sehr gutes Betreuungsverhältnis. Bei uns kann man dual und flexibel studieren, weil wir Fernstudienlehrgänge anbieten. Da wir für unsere Angebote vom Staat keinen Euro bekommen, brauchen wir Studiengebühren, die es bis vor nicht allzu langer Zeit ja auch an Universitäten gab.

Wie wählen Sie Ihre Studenten aus?

Ulrich Wir haben ein Auswahlverfahren, das auf das ganze Leistungsbild des Bewerbers ausgerichtet ist. Jeder Studiengang hat bestimmte Teilnahmevoraussetzungen, die den Vorgaben des NRW-Hochschulgesetzes entsprechen und vom NRW-Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung vorgegeben werden. Außerdem ist es für uns Privathochschulen sehr wichtig, dass Studenten ihre Ausbildung erfolgreich abschließen.

Das scheint an Privaten besser zu gelingen als an Staatlichen, wo die Studienabbrecherquote mit 40 Prozent auf einem Rekordhoch liegt.

Steinbeck Die Quoten sind von Hochschule zu Hochschule unterschiedlich. Und wir wissen, dass es unter den Studenten Personen gibt, die sich nur einschreiben, um die Vorteile des NRW-Tickets zu nutzen und anschließend irgendwann zu Abbrechern werden. Das ist ein Problem. Wer 12.500 Euro in seine Ausbildung investiert, will das Studium auch abschließen.

Ist die Abitur-Note das richtige Mittel, um Studenten auszuwählen?

Steinbeck Bei den Rechtswissenschaften gibt es Erhebungen, die zeigen, dass das Abitur ein starker Indikator für das Staatsexamen ist: Wer eine Abitur-Note zwischen 1 und 1,5 hat, bei dem liegt die Wahrscheinlichkeit für ein Prädikatsexamen bei 70 Prozent.

War das in Ihrem Fall auch so?

Steinbeck (lacht) Ja, ich habe ein ordentliches Abitur und ein ordentliches Examen in Jura gemacht. Ich bin mir aber sicher, dass es Studiengänge gibt, bei denen diese Korrelation so nicht unmittelbar besteht, zum Beispiel in der Medizin. Es wäre wünschenswert, einzelne Tests zu machen, aber bei 30.000 Studenten und rund 4000 Erstsemestern pro Jahr ist das nicht zu leisten.

Herr Ulrich, wer entscheidet sich für ein Studium bei Ihnen und wie finanzieren sich die Studenten dieses?

Ulrich Neben Abiturienten studieren bei uns auch schon Berufstätige, die oft motivierter sind, sich finanziell zu engagieren für die eigene Ausbildung. Durch das Fernstudium und Teilzeit-Studienvarianten bleibt zudem viel Zeit, neben dem Studium Geld zu verdienen. Bafög können unsere Studenten auch beantragen.

Privathochschulen haben den Ruf, elitär zu sein. Wie ist das bei Ihnen?

Ulrich Mit Studienkosten von 12.500 Euro liegen wir am unteren Rand. Und wenn Sie bei uns studieren, können Sie sogar zu Hause wohnen bleiben. Vielleicht ist das Studium angesichts der Mietpreise in einer Stadt wie Düsseldorf in der Summe dann sogar günstiger. Auch angesichts von rund 120 Privathochschulen landesweit kann man insgesamt, denke ich, nicht davon sprechen, dass das Studium an einer privaten Hochschule elitär ist.

Konkurrieren Sie miteinander oder ergänzen Sie einander vielleicht?

Steinbeck Ich sehe uns nicht als Konkurrenten. Wir sollten aber nicht versuchen, alles gleich zu machen. Die Bedürfnisse sind unterschiedlich und unser Bildungssystem lebt von dieser Vielfalt wie dualen und universitären Studiengängen, privaten Hochschulen, Fachhochschulen und Universitäten. Die universitäre Ausbildung zeichnet sich vor allem durch Forschungsnähe aus. Ich finde es gut, dass junge Menschen etwa im privaten Sektor Angebote finden, die sie an einer staatlichen Hochschule vielleicht nicht finden.

Ulrich Wir haben sehr unterschiedliche Ausrichtungen, deswegen sehe ich uns nicht als Konkurrenten.

Sie haben beide Kinder im Studienalter: Wo werden sie studieren?

Ulrich Meine Tochter interessiert sich für ein Studium an einer staatlichen Hochschule in Düsseldorf, doch mit einem Notendurchschnitt von 2,0 ist das nicht einfach. An ihr erlebe ich hautnah, wie schwierig es für junge Leute heutzutage angesichts von tausenden Studiengängen und unterschiedlichen Hochschulformen geworden ist, eine Studienwahl zu treffen.

Steinbeck Mein Sohn wird an einer staatlichen Hochschule Jura studieren. Aber nicht in Düsseldorf.

SEMIHA ÜNLÜ FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(semi)
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