Düsseldorf Pankoks Bilder vom Leid der Sinti

Düsseldorf · 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs erinnert eine Ausstellung in der Heerdter Bunkerkirche an das Schicksal der Verfolgten. Otto Pankok hat sie nicht nur gemalt, sondern später auch Entschädigungen für sie erwirkt.

 Ulrike Bornewasser neben Otto Pankoks Kohlezeichnung "Ehra" im unterirdischen Ausstellungsraum der Bunkerkirche in Heerdt.

Ulrike Bornewasser neben Otto Pankoks Kohlezeichnung "Ehra" im unterirdischen Ausstellungsraum der Bunkerkirche in Heerdt.

Foto: Georg Salzburg

Otto Pankok (1893-1966) war nicht nur ein großer Künstler, sondern auch ein großer Mensch. Sein überwiegend schwarz-weißes Werk lässt fürchterliche Schicksale sprechen, und sein Leben zeugt davon, dass ein Künstler sich nicht zwangsläufig auf die Rolle des Beobachters beschränkt, sondern den Bildern auch Taten folgen lassen kann. Eine rund 50 Arbeiten umfassende Ausstellung im Keller der Heerdter Bunkerkirche - großformatige Kohlezeichnungen und kleinformatige Holzschnitte - erinnert 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs daran, wie die Nazis Düsseldorfer Sinti in Konzentrationslager deportierten, wie einige der Opfer wundersamerweise überlebten, nach Düsseldorf zurückkehrten und feststellen mussten, dass ihre einstigen Unterkünfte dem Boden gleichgemacht waren.

Im spindelförmigen Aufgang des Kellers kann man den eindrucksvollsten Teil der Schau abschreiten: die großformatigen, zu Beginn der 30er Jahre entstandenen Kohlezeichnungen. Sinti-Kinder blicken den Betrachter mit großen, von erlittenem Leid erzählenden Augen an. Der kleinen Ehra zum Beispiel (unsere Abbildung) steht der Schrecken im Gesicht geschrieben. Nebenan hängt ein Bildnis von "Gaisa im Schnee". Von ihr ist bekannt, dass die nationalsozialistischen Schergen sie ins Konzentrationslager Birkenau verschleppten, dass sie dort mehrfach vergewaltigt wurde und nach dem Krieg seelisch und physisch ausgemergelt nach Düsseldorf zurückkehrte. Am Ende der Bilderreihe begegnet man ihr noch einmal. Auf dem Terrain ihres einstigen Zuhauses am Höherweg hockt sie einsam auf einem Feld. Das Kind, das sie nach den Vergewaltigungen inzwischen zur Welt gebracht hat, ist auf diesem beklemmend tristen Porträt ausgespart.

Otto Pankok hat es auch nach dem Krieg nicht beim Malen belassen. 1947 zum Professor an der Düsseldorfer Kunstakademie ernannt, nutzte er seinen Einfluss, um seinen liebgewonnenen Sinti-Familien zu helfen. In einer Zeit, als Sinti und Roma noch keine Lobby hatten, setzte er sich dafür ein, dass die Überlebenden Entschädigungen bekamen für das Leid, das ihnen das Dritte Reich zugefügt hatte.

Einige Szenen, die Pankok in seinen Kohlezeichnungen festhielt, stammen vom Heinefeld, dem Vorgänger-Quartier des Höherwegs. Von dort hatten die Nazis die Sinti umgesiedelt und in jene Gebäude am Höherweg gesperrt, die Zeitzeugen zufolge wie eine Vorwegnahme der Konzentrationslager anmuteten. Im Heerdter Bunker glaubt man diese Atmosphäre fast körperlich nachzuerleben. Denn etliche Bilder hängen nicht nebeneinander, sondern einzeln in Zellen. Ulrike Bornewasser, Sprecherin der Initiative Friedensort Bunkerkirche, will mit dieser Schau besonders auf die Rolle der Frauen hinweisen. In der Tat hat Pankok fast ausschließlich Frauen und Mädchen ins Bild gesetzt, weil er wusste, dass sie einen häufig unterschätzten Teil der nationalsozialistischen Last zu tragen hatten - auch nach dem Krieg.

Wie lange es den "Friedensort Bunkerkirche" noch gibt, ist ungewiss. Denn wie man hört, wird in absehbarer Zeit die koptische Gemeinde in Düsseldorf das Gotteshaus übernehmen, wahrscheinlich sogar samt Ausstellungskeller. Ulrike Bornewasser hofft darauf, dass Kopten und Katholiken dann gemeinsam die Erinnerungs- und Trauerarbeit mit Hilfe der Kunst fortsetzen. Denn für die Kopten ist das Thema Verfolgung in ihrer Heimat Ägypten heute so brennend gegenwärtig wie für Minderheiten zur Zeit des Dritten Reichs.

(RP)
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