Nach Brand in Flüchtlingsheim Oberbürgermeister Geisel besucht Flüchtlinge

Düsseldorf · Nach dem Brand im Flüchtlingsheim an der Schanzenstraße in Oberkassel mussten die 179 Flüchtlinge innerhalb weniger Stunden in anderen Unterkünften untergebracht werden. Ohne jegliches Hab und Gut wurden sie in Turnhallen untergebracht, die bereits provisorisch der Flüchtlingsunterbringung dienen. Oberbürgermeister Thomas Geisel machte sich in der Turnhalle in Garath ein Bild von der Lage.

 Oberbürgermeister Thomas Geisel in der Flüchtlingsunterkunft in einer Turnhalle an der Stettiner Straße in Garath - hier mit (v.l.) Anjesa (10) aus dem Kosovo, Junior, Hosay (7) aus Afghanistan und Angela (7) aus Serbien.

Oberbürgermeister Thomas Geisel in der Flüchtlingsunterkunft in einer Turnhalle an der Stettiner Straße in Garath - hier mit (v.l.) Anjesa (10) aus dem Kosovo, Junior, Hosay (7) aus Afghanistan und Angela (7) aus Serbien.

Foto: Bernd Schaller

Alero aus Nigeria war mit ihren Kindern gerade in ihrer Wohnung in der Flüchtlingsunterkunft, als am Freitagvormittag der Brandmelder Alarm schlug. Ihr vierjähriger Sohn Favour verstand sofort, drängte darauf, dass die Familie rasch die Wohnräume verließ. "Das war unser Glück", sagt seine Mutter. Denn sie lebten auf der dritten Etage — die Wohnung, in der das Feuer ausbrach, befand sich nur wenige Meter entfernt. "Wie kann man Familien nur mit Drogensüchtigen unter einem Dach unterbringen, die mit ihrer Raucherei alles in Brand setzen?", fragt sie. "Stellen Sie sich vor, das wäre nachts passiert und wir hätten geschlafen!"

Jetzt sitzt sie mit Nana aus Ghana auf einer Bank im Schulhof an der Stettiner Straße und isst das Mittagessen, das der Caterer gerade geliefert hat. Nana ist hochschwanger, in zwei Wochen sei die Geburt terminiert, erzählt sie. Und nun lebt sie seit einigen Stunden in einem Zelt in einer Turnhalle, hat nach dem Brand nichts, nicht einmal eine Zahnbürste, aus dem Gebäude in Oberkassel mitnehmen dürfen.

 Alero aus Nigeria mit ihrem Sohn Favour - sie lebten in der Oberkasseler Flüchtlingsunterkunft auf derselben Etage, auf der das Feuer ausgebrochen ist.

Alero aus Nigeria mit ihrem Sohn Favour - sie lebten in der Oberkasseler Flüchtlingsunterkunft auf derselben Etage, auf der das Feuer ausgebrochen ist.

Foto: Denisa Richters

Eine Viertelstunde zuvor hatte Miriam Koch, die Flüchtlingsbeauftragte der Stadt, gemeinsam mit Oberbürgermeister Thomas Geisel um Verständnis für die Situation geworben, die leider viel Improvisation erfordere. 179 Menschen habe man in der ohnehin angespannten Lage auf einmal anderweitig unterbringen müssen. Koch macht aber auch Hoffnung: "Aus der ersten und zweiten Etage konnten ein paar Sachen herausgenommen werden, auch die vierte Etage ist jetzt wieder begehbar." Nach und nach werden die Bewohner hineingelassen, um einige ihrer Sachen zu holen. Bei der dritten Etage müsse am Montag das Gesundheitsamt entscheiden.

"Schön ist es nicht, komfortabel ist es nicht, aber es ist das Beste, was wir in der nötigen Improvisation bieten können", sagt Geisel.

 Oberbürgermeister Thomas Geisel hörte sich in der Turnhalle an der Stettiner Straße in Garath die Sorgen der Flüchtlinge an - hier mit Ali (rechts), Mahairi (rotes T-Shirt) und anderen Männern aus Syrien.

Oberbürgermeister Thomas Geisel hörte sich in der Turnhalle an der Stettiner Straße in Garath die Sorgen der Flüchtlinge an - hier mit Ali (rechts), Mahairi (rotes T-Shirt) und anderen Männern aus Syrien.

Foto: Denisa Richters

Er hat sich gerade selbst ein Bild gemacht, war in einem der Zelte, hat mit Kindern und Eltern gesprochen, sich angehört, was den Menschen fehlt, und versichert, dass man so bald wie möglich eine andere Unterbringung finden werde. Familien aus der Schanzenstraße sollen laut Koch Vorrang haben. Man will möglichst wieder dauerhafte Unterkünfte für sie finden. "Schließlich besuchen die Kinder teils seit langem bestimmte Schulen und Kitas, sind dort integriert", sagt Oliver Targas, Sachgebietsleiter für die Flüchtlingsbetreuung in städtischen Unterkünften bei der Diakonie, die im Flüchtlingsheim an der Schanzenstraße zuständig war. Auch der Diakonie-Vorsitzende Thorsten Nolting ist bei dem Rundgang an der Stettiner Straße dabei. Es stellen sich viele Probleme für die Bewohner, die ihr in der Fremde gefundenes Zuhause durch den Brand verloren haben. "Viele machen sich Sorgen, weil sie ihre Papiere nicht haben und wichtige Termine bei der Ausländerbehörde anstehen", sagt Targas. Geisel und Koch versichern, die städtischen Behörden entsprechend zu informieren.

Es gibt aber auch gute Nachrichten von großer Hilfsbereitschaft: So habe das NH Hotel City am Freitag spontan 170 Betten zur Verfügung gestellt, sagt Volkmar Schultz-Igast vom Deutschen Roten Kreuz (DRK), das die Flüchtlinge in den Schulturnhallen versorgt und rasch die 50 Reserveplätze in Garath auf 70 aufgestockt hat.

Geisel steht in der Nachbarturnhalle, vier syrische Männer reden besorgt auf ihn ein. Einige haben noch Frau und Kinder in dem vom Bürgerkrieg zerrütteten Land, zeigen Geisel auf dem Handy Fotos ihrer Familien, um die sie sich so sehr sorgen. "Wir müssen anerkannt sein, damit wir unsere Familien nach Deutschland holen können", erzählt Mahairi. Koch nickt, nur kann die Kommune darüber nicht entscheiden. Mahairis drei Kinder leben mit der Mutter in Aleppo, einer besonders umkämpften Stadt im Norden Syriens. Er ist — wie auch der 29-jährige Ali — über die Türkei und Griechenland nach Deutschland geflohen. Sie berichten von einer Odyssee, 200 Kilometer seien sie in 23 Tagen gelaufen, viel Geld haben sie an die Schleuser bezahlt, um sich in die Sicherheit zu retten. Und hier müssten sie und die Kinder in den Nachbarzelten nun in kalten Sommernächten wie die in der vergangenen Woche frieren. "Schauen Sie, das ist unsere Decke", sagt Ali zu Geisel und hält ein dünnes Stück aus blauem Papier hoch. "Das ist in der Tat sehr dünn", sagt der Rathaus-Chef und blickt fragend DRK-Mann Schultz-Igast an. Das seien die üblichen Einmal-Sommerdecken, sagt der, es sei eben ein paar Nächte etwas kühler gewesen. "Die nächsten Tage werden sehr warm", beruhigt Geisel die Menschen mit einem optimistischen Wetterbericht.

Der Plan, alle Schulturnhallen zum Ferienende möglichst wieder freizumachen, wurde durch den Brand an der Schanzenstraße durchkreuzt. "Wir haben auf einen Schlag 210 Plätze verloren", sagt Koch. Der Eigentümer wolle das Gebäude zwar rasch sanieren und wieder an die Stadt vermieten — das könne aber noch viele Monate dauern. "Deshalb bitte ich um Verständnis bei Schulleitungen, Eltern und Schülern, wenn die Turnhallen doch etwas länger bewohnt werden und Sportunterricht ausfallen muss."

(RP)
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