Interview mit Stressforscher Nico Dragano Lob ist gut gegen Stress

Düsseldorf · Stress ist allgegenwärtig, und viele haben das Gefühl, ihren Belastungen hilflos ausgeliefert zu sein. Nic Dragano forscht an der Uni Düsseldorf, was gegen hohe Belastung hilft. Wir haben ihn nach den besten Tipps gefragt.

 Nico Dragano erforscht das Phänomen Stress und seine Auswirkungen auf Körper und Seele.

Nico Dragano erforscht das Phänomen Stress und seine Auswirkungen auf Körper und Seele.

Foto: Andreas Endermann

War das wieder ein Stress heute! Dies dürfte einer der häufigsten Sätze sein (gleich nach den Klagen übers Wetter), wenn sich Menschen begegnen. Aber wie entsteht Stress? Welche gesundheitlichen Auswirkungen sind damit verbunden? Und welche Gegenmittel gibt es? Diese Fragen beantwortet Nico Dragano, renommierter Stressforscher und Leiter des Instituts für Medizinische Soziologie am Uniklinikum.

Herr Dragano, was genau ist Stress?

Nico Dragano Wenn man das so exakt wüsste... Fest steht: Stress ist ein komplexes Zusammenspiel von Psyche und Körper. Und zunächst einmal eine Reaktion auf eine herausfordernde oder bedrohliche Situation. Eine Auseinandersetzung mit dem Chef, Angst um den Arbeitsplatz, ständiger Druck im Job, all das können Auslöser sein. Unser Stresssystem erkennt eine solche Situation und reagiert darauf blitzschnell.

Und was passiert dann?

DRAGANO Auf die Erkenntnis folgt eine körperliche Reaktion: erhöhter Blutdruck, beschleunigter Puls, Herzrasen. Der Mensch ist in Alarmbereitschaft. Gleichzeitig werden Stresshormone wie Cortisol und Adrenalin ausgeschüttet. Das ist zunächst aber ganz normal. Zum Problem wird dieser Zustand, durch Häufigkeit, Dauer und Stärke der Stresssituation. Wir Menschen sind nicht dafür geschaffen, ständig in Alarmbereitschaft zu sein. Wir müssen uns nach einer starken Anspannung auch wieder runterfahren, Regeneration ist absolut wichtig.

Sonst werden wir krank?

Dragano Menschen mit chronischem Stress haben ein deutlich höheres Risiko krank zu werden, sie schwächen ihr Immunsystem, sind dadurch anfälliger für Infektionen, Stoffwechselkrankheiten wie Diabetes, Schlaganfall und Rückenschmerzen. Unser Institut ist zum Beispiel an einer internationalen Langzeitstudie in sechs Ländern mit über 90.000 Beschäftigten beteiligt. Dabei konnten wir zeigen, dass Menschen mit starkem Stress häufiger gefährliche Herz-Kreislauferkrankung erleiden.

Stimmt es, dass Stress vor allem eine Manager-Krankheit ist?

Dragano Nein, Manager sind häufig eher ein Teil des Problems. Wir wissen aus der Forschung, dass Stress vor allem dann gefährlich wird, wenn man das Gefühl hat, dass man das, was da auf einen einstürmt, nicht selbst kontrollieren oder bestimmen kann. Das ist bei Führungskräften nicht unbedingt der Fall, sie haben zwar viel zu tun, sie haben aber auch mehr Freiheiten, können etwa ihren Arbeitsalltag umorganisieren und delegieren. Besonders gestresst ist oft die mittlere Ebene in Betrieben und Menschen in Berufen, die unter ständigem Zeitdruck und mit hoher Verantwortung arbeiten wie beispielsweise in der Kranken- oder Altenpflege. Wir wissen, dass Belastung verbunden mit geringer Bezahlung und wenig Anerkennung eine explosive Mischung ist. Andersherum kann man sagen: Belohnung ist gut gegen Stress.

Was können Sie tun, damit diese Erkenntnis in Unternehmen ankommt?

Dragano Wir wollen im Herbst eine Studie starten, in der es um Stress-Prävention in kleinen und mittleren Betrieben geht. Für die ist es oft besonders schwierig, sich mit den psychischen Belastungen ihrer Mitarbeiter auseinanderzusetzen. Mir hat mal ein Geschäftsführer gesagt: "Psyche gibt's bei uns nicht." Aber gegen Stress lässt sich eine Menge machen. Man kann die Arbeitsbedingungen verbessern, Abläufe anders organisieren und überlegen, wie man Mitarbeiter dabei unterstützen kann, Stress besser zu bewältigen. Dazu gehört für die einzelnen Mitarbeiter aber auch, die Mail-Flut in den Griff zu bekommen, indem man nicht ständig, sondern eben nur zu bestimmten Zeiten Mails liest.

Wie gehen Sie selbst mit Stress um?

Dragano Ich versuche, auf Warnsignale zu achten und früh gegenzusteuern. Das beste Mittel gegen Stress ist eigentlich Bewegung, denn ursprünglich gab es die Stresssymptome ja, um in einer bedrohlichen Situation möglichst schnell weglaufen oder kämpfen zu können. Wenn es geht, treibe ich also Sport und versuche ansonsten meine Arbeit so zu gestalten - das gelingt mal besser, mal schlechter - dass sich die Belastung verteilt und nicht über längere Zeit andauert.

Das Interview führte Ute Rasch

(RP)
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