Serie Wohnen In Düsseldorf Leben in der "Wilden 13"

Düsseldorf · In einem historischen Straßenbahndepot entstanden Eigentumswohnungen unter dem alten Stahlgerippe - und die Schienen enden direkt vor der Haustür.

Als Peter Gillrath und Ehefrau Andrea in das ehemalige Depot einzogen, hatten sie erst einmal keine Adresse.

Als Peter Gillrath und Ehefrau Andrea in das ehemalige Depot einzogen, hatten sie erst einmal keine Adresse.

Foto: Bernd Schaller

Diese Schienen führen geradewegs ins Glück. Das finden jedenfalls Andrea und Peter Gillrath. Seit sieben Jahren kocht das Paar exakt an dem Ort seinen Kaffee, wo früher Straßenbahnen gewaschen wurden - im ehemaligen Depot der Rheinbahn an der Siegburger Straße in Oberbilk. Etliche Zeugen der Vergangenheit sind noch da: die Stahlgerippe der Dachkonstruktion, die an Sonnentagen reizvolle Licht- und Schattenspiele auf die Wände zaubern, die riesigen alten Tore, durch die die Bahnen in die Halle rollten und hinter denen jetzt Fahrräder parken. Und die Schienen, die zur Erinnerung liegen blieben und nun vor der Rasenkante enden. Wohnen in einem historischen Industriedenkmal, geht das ohne Stolperkanten? Für Ehepaar Gillrath und seine Nachbarn ist dieses Wohn-Experiment eindeutig geglückt.

Dabei waren damals, ein paar Tage nach Weihnachten 2007, längst nicht alle Weichen auf Happyend gestellt. "Als wir einzogen, hatten wir keine Adresse", erinnert sich Peter Gillrath. War wohl irgendwie vergessen worden bei der Stadt. Nicht so wichtig, könnte man meinen. "Aber bestellen sie mal im Notfall einen Krankenwagen ohne Straßennamen." Auch kann sich der Mensch im Amt weder ummelden noch Strom und Telefon beantragen - ohne Adresse. Gillrath wandte sich damals direkt an das Büro des damaligen Oberbürgermeisters Joachim Erwin, dann berichtete die Rheinische Post - und schließlich hatte das Depot innerhalb von Stunden seinen Namen: zwar nicht "Wilde 13" (Favorit der Anwohner), wie die Düsseldorfer liebevoll die letzte Bahn genannt hatten, die diese Hallen verließ. Sondern Professor-Schwippert-Straße, mit allen Bindestrichen, "ein bisschen kompliziert, aber Hauptsache ein Straßenname."

Auch anderer Ärger ist fast vergessen: Viele Käufer der Wohnungen konnten sich damals die Finanzierung ihres Eigentums nur leisten, weil für den denkmalgeschützten Ort zusätzliche Steuerabschreibungen möglich waren. Aber um das im Finanzamt geltend zu machen, mussten die Unterlagen zunächst bei der zuständigen Denkmalbehörde eingereicht werden, dafür aber brauchte der damalige Projektentwickler Vivacon (die Firma existiert heute nicht mehr) nicht die versprochenen Wochen, sondern Jahre. Die Folge: Die Gillraths und ihre Nachbarn bekommen bis heute nur vorläufige Steuererklärungen vom Finanzamt bewilligt. Einigen Käufern platzte durch die Verzögerung die Finanzierung - sie mussten ihren Traum wieder verkaufen.

Die geblieben sind, sehen sich heute in einer glücklichen Situation. Gillrath schwärmt von den intakten Nachbarschaftskontakten. In der Adventszeit schmücken alle gemeinsam eine fünf Meter hohe Tanne draußen vor dem Depot, und an Sommerwochenenden wurde so manches fröhliche Fest gefeiert. "Da sind dann schon mal 400 Leute zusammen gekommen." Ansonsten genießen die Eigentümer abgeschiedene Ruhe, modernen Komfort in alter Industriehülle und - wie die Gillraths in ihrer großzügigen Erdgeschosswohnung - kleine, intime Gärten. Hohe Hecken schützen vor neugierigen Blicken, "aber es schaut hier eh niemand rein", so Peter Gillrath. Man ist diskret, geht dem anderen nicht mit ungebetenen Besuchen auf die Nerven.

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Besonders aber schätzen die Bewohner die Nähe des Südparks und die perfekte Verkehrsanbindung: schnell auf der Autobahn, schnell in der Stadt. Die Gillraths vermissen eigentlich nur ihren Lieblings-Italiener "Gigante" in Grafenberg. Aber um dessen "weltbeste Spaghetti Carbonara" zu essen, verlassen sie eben gelegentlich ihr Depot - und rollen per Bahn zum Schlemmen, auch wenn die "Wilde 13" nicht mehr direkt vor der Haustür hält. Nur 14 Paar Schienen liegen noch im alten Kopfsteinpflaster. Das musste nach den Bauarbeiten gleich zwei Mal neu verlegt werden. Beim ersten Mal beanstandete der strenge Denkmalschutz: "Die Richtung stimmte nicht."

(RP)
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