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Düsseldorf Lachsbrötchen statt Popcorn

Düsseldorf · Immer mehr Düsseldorfer Kinos zeigen Live-Übertragungen aus großen Opernhäusern. Am Samstag gab's im Atelier-Kino fast fünf Stunden lang Wagners "Tannhäuser" aus der Metropolitan Opera in New York. Wer guckt sich sowas eigentlich an? Ein Besuch.

 Gebannte Blicke auf die Leinwand: Im Atelier-Kino gab es am Samstag eine Live-Übertragung aus der Oper in New York.

Gebannte Blicke auf die Leinwand: Im Atelier-Kino gab es am Samstag eine Live-Übertragung aus der Oper in New York.

Foto: Anne Orthen

Wer Kino und die Oper liebt, wird vom Zusammentreffen beider einiges erwarten. Den Traum, sich Richard Wagners (mit Pausen fast fünf Stunden dauernden) "Tannhäuser" mit Popcorn zu versüßen, hegt aber offenbar keiner. Als die Oper am Samstag im Atelier-Kino am Savoy zu sehen ist - live aus der Metropolitan Opera in New York -, weht auch ein Hauch von Opernatmosphäre durch das kleine Programmkino in der südlichen Innenstadt. Die Popcorn-Maschine ist gar nicht erst angeworfen worden, und Chips kauft keiner. Stattdessen gibt es Brötchen mit Lachs oder Käse und Laugenbrezeln, man trinkt Wein und Sekt. Es gibt, das ist sonst nicht so, eine kleine Garderobe, an der die Besucher ihre Mäntel abgeben. Viele haben sich schick gemacht - etwas legerer als in der Oper darf's sein, doch die Lässigkeit, die zum Besuch des neuen Bond-Thrillers passen würde, erlauben sich nur wenige.

Das Gewusel kurz vor Beginn ist übrigens in New York wie an der Graf-Adolf-Straße gleich. Wären nicht die Sessel in der Met rot und im Atelier leuchtend blau, man würde sich suchend nach der Kamera umblicken beim Anblick der Szenen auf der Leinwand. Einige suchen noch ihre Plätze, man drängt sich an den schon Sitzenden vorbei, winkt, begrüßt sich, tippt letzte Nachrichten ins Smartphone (Letzteres mehr in der Met, das Düsseldorfer Publikum ist im Schnitt deutlich älter).

In New York ist es Punkt 12 Uhr mittags, als sich der Vorhang hebt. Die Ränge in der Met sind gut gefüllt, aber einige der 3900 Plätze bleiben frei. Kurz vor Beginn waren online noch Tickets zu haben, ab 142 Dollar hätte man dabei sein können. Die Zuschauer im Atelier haben 28 Euro bezahlt, immer noch viel für eine Kinokarte. Trotzdem ist die Vorstellung ausverkauft, ist parallel auch noch im Ufa-Palast zu sehen. Kürzlich gab es einen Puccini-Abend mit Star-Tenor Jonas Kaufmann in Mailand, der sogar in drei Kinos in der Stadt gezeigt wurde. Was macht den Reiz aus? "Großartige Sänger und tolle Inszenierungen", sagt Klaus Fuhlrott. Mit Ehefrau Helga hat er schon oft Opern auf der Leinwand gesehen. Margret und Klaus Schwarzrock besitzen ein Abo für die Rheinoper, schätzen trotzdem die Kino-Abende. "Da sind große Stars dabei, die bekäme man sonst nicht so leicht zu sehen."

Heute etwa Star-Tenor Johan Botha in der Titelrolle und die niederländische Sopranistin Eva-Maria Westbroek als Elisabeth - Dirigent ist der große James Levine. Und obwohl der Maestro und die Sänger 6000 Kilometer weit weg sind, geht's an der Graf-Adolf-Straße nicht zu gelassen zu. Als die ersten Klänge der wunderbaren "Tannhäuser"-Ouvertüre erklingen, ist es auch im Kino mäuschenstill; die üblichen leisen Kino-Gespräche gibt es nicht. Sein Lachsbrötchen hat keiner mit in den Saal gebracht, nichts knuspert, nichts knistert. Husten wird ebenso mühsam unterdrückt, als befände man sich nur Meter vom Orchestergraben und fürchte, die Musiker in ihrer Konzentration zu stören. Freilich: Auch in New York können nicht alle eine komplette Oper lang das Röcheln unterlassen, und wenn aus den Düsseldorfer Kinolautsprechern die Huster zu hören sind (in perfekter Klangqualität), dann fühlen sich - wie eben in jeder Oper - auch die Zuhörer im Atelier plötzlich animiert, hustet sich auch der Herr aus Kino-Reihe sechs ordentlich aus und räumt sich die Dame in Reihe acht mit vernehmlichem Räuspern die Atemwege frei.

Oper verbindet Kontinente, nicht nur kulturell, auch menschlich. Dann herrscht wieder Stille im Publikum. Die Pausen zwischen den Akten werden für die Kinobesucher mit Interviews mit den Sängern und Blicken hinter die Kulissen gefüllt. Das ist ein Pluspunkt der Kino-Variante - wie auch die Kameraführung, die immer wieder in Nahaufnahmen das Geschehen einfängt. "Hast du gesehen, die Flötistin hatte schwarze Fingernägel", wird in der ersten Pause ein Herr aus Ratingen ("Ja, wir sind weit gefahren, aber nicht so weit wie New York, haha.") beim Sekt zu seiner Gattin sagen. "Aber spielen kann 'se ja."

Am Ende: Begeisterter Jubel in der Met, auch in den letzten Reihen des Ateliers brandet Applaus auf - dass die Künstler ihn nicht hören, geschenkt. Beim Kino-Abspann würde jetzt die Hälfte der Leute gehen, hier hören sich fast alle den Schluss-Applaus an. In New York ist es später Nachmittag, womöglich geht man an der Upper West Side zum Kaffee oder einem frühen Dinner. An der Graf-Adolf-Straße (hier ist es fast 22 Uhr) wird nach Taxis gerufen. Ein Pärchen stapft zum Döner-Grill auf die andere Straßenseite.

(RP)
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