Beschleunigte Strafverfahren "Kurzer Prozess" in Düsseldorf — bisher nie Freispruch

Düsseldorf · Seit anderthalb Jahren kann die Justiz bestimmte Strafverfahren innerhalb einer Woche erledigen. 417 solcher Prozesse hat es in Düsseldorf bislang gegeben, die meisten endeten mit Geld- oder Bewährungsstrafen.

 417 solcher "Kurzen Prozesse" hat es in Düsseldorf bislang gegeben.

417 solcher "Kurzen Prozesse" hat es in Düsseldorf bislang gegeben.

Foto: dpa, vh olg fg

Im ersten Jahr des offiziell "besonders beschleunigten" Strafverfahrens gingen 309 Fälle über die Tische der beiden Richterinnen, die das Düsseldorfer Amtsgericht damit betraut hat. In den bei Weitem meisten Fällen — 171 — verhängten sie Freiheitsstrafen, Minimum zwei Monate, maximum ein Jahr ohne Bewährung, 129 mussten Geldstrafen von 15 bis zu 130 Tagessätzen in einkommensabhängiger Höhe zahlen. Freisprüche gab es nicht, nur ein einziges Verfahren wurde eingestellt.

Inzwischen — das erste Jahr war im März zu Ende — ist die Zahl der salopp als "kurze Prozesse" bezeichneten Verfahren um weitere 108 gestiegen. Es sei ein "mittlerweile etabliertes Verfahren", das wie jedes andere juristische Mittel auch angewendet werde, sagt Amtsgerichtssprecher Marcel Dué. Die Zusammenarbeit mit Polizei und Staatsanwaltschaft funktioniere gut.

Meist geht es um Delikte wie Diebstahl oder Schwarzfahren

Nicht immer sind Polizei und Justiz oder Staatsanwalt und Richter einer Meinung, wenn es darum geht, ob ein Beschuldigter — meist geht es um Diebstahl, Schwarzfahren oder einfache Körperverletzung — für den schnellen Urteilsspruch geeignet ist. Das letzte Wort haben entsprechend rechtsstaatlichen System die Richter, die entscheiden, ob ein Beschuldigter sofort in Haft und innerhalb von sieben Tagen vor Gericht kommt.

Auf die Einführung dieser sogenannten "Hauptverhandlungshaft" hatten sich die Amtsgerichtspräsidentin Angela Glatz-Büscher, Polizeipräsident Norbert Wesseler und der Leiter der Staatsanwaltschaft Thomas Harden Anfang 2015 geeinigt und schnell die Voraussetzungen geschaffen: Sonderdezernenten, jeweils zwei, bei Gericht und Staatsanwaltschaft, Schulungen für die Polizeibeamten, die als Erste erkennen müssen, wer ein Kandidat für Paragraf 127b der Strafprozessordnung ist.

54 dieser Vorschläge sind im ersten Jahr abgelehnt und ins normale Strafverfahren verwiesen worden, keine schlechte Quote, heißt es, die Auswahl "läuft gut", konstatierte die Amtsgerichtspräsidentin. Unverzichtbar sei dabei, sagt ihr Sprecher Dué, der selbst auch Richter ist, dass Gründlich- und Genauigkeit bei Ermittlungen und rechtlicher Bewertung nicht unter der Schnelligkeit des Verfahrens leiden dürften.

Empörung im Gefängnis

Erst vorige Woche sind wieder einige Kandidaten in die Hauptverhandlungshaft gekommen: Drei Männer, mutmaßliche Metalldiebe, die auf frischer Tat erwischt worden waren, warten derzeit in der Justizvollzugsanstalt Düsseldorf auf ihren Prozess; einen Handtaschenräuber, der eine Seniorin verletzte, als er versuchte, an ihre Tasche zu kommen, hat die Polizei erst am Dienstag eingeliefert.

Im Gefängnis fielen diese Beschuldigten oft durch höhere Aggressivität auf als normale U-Häftlinge, sagte der Polizeipräsident nach den ersten drei Monaten dieser Praxis: Sie seien empört, weil sie nicht damit rechneten, sofort eingesperrt zu werden, auch wenn es nur für die maximal sieben Tage bis zum Urteil ist.

Meist geht es sogar schneller, wenn die Sachlage klar und die Beweislast eindeutig ist. Denn nur dann folgt die Strafe auf dem Fuß. Eine Prostituierte etwa, die als Wiederholungstäterin im Sperrbezirk festgenommen worden war, wurde schon vier Tage später zu einer vierstelligen Geldstrafe verurteilt. Und ein 26-jähriger, der im März eine junge Frau in der Altstadt sexuell belästigt hatte, stand schon nach fünf Tagen vor der Richterin, bekam wegen tätlicher Beleidigung eine Bewährungsstrafe und durfte nach Hause gehen. Allerdings musste er wegen der Verurteilung um die Verlängerung seines Visums fürchten.

(RP)
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