Düsseldorf Zaimoglu predigt über Luther

Düsseldorf · Der Autor stellte seinen Roman "Evangelio" in der Christuskirche vor.

 Feridun Zaimoglu.

Feridun Zaimoglu.

Foto: dpa

Schon als Zehnjähriger fing er damit an, die Lutherbibel zu lesen. "Da war es um mich geschehen", so beschreibt Feridun Zaimoglu seine "Erweckung". Verstehen konnte der Sohn türkischer Einwanderer die christlichen Bezüge nicht. Aber er begriff, dass die Sprache eine besondere war. Die Faszination für Luther begleitete ihn durchs Leben. Doch lange scheute der Autor davor zurück, sie für seine eigene literarische Arbeit aufzugreifen: "Wer bin ich denn, dass ich mich an diesen Mann heranwage?"

Jetzt, im Lutherjahr 2017, brachte Feridun Zaimoglu den Roman "Evangelio" über Luthers Verbannung auf der Wartburg heraus. Bei einer Lesung mit Gespräch in der Christuskirche, moderiert von Maren Jungclaus vom Literaturbüro NRW, schilderte er seine Beweggründe: "Er war Gefangener und Beschützter zugleich. Dieses knappe Jahr wurde bisher wenig beleuchtet. Luther litt in seiner Stube unter Schmerzen, er wurde von Nierenkoliken und Schwindel geplagt." Um in die Welt des Reformators einzutauchen und Fehler zu vermeiden, suchte Feridun Zaimoglu die Wartburg und Wittenberg auf. Vor allem aber machte er sich Luthers Sprache zu eigen, "das Wuchtige, Kernige, Saftige". Er wollte fühlen, was der Gefangene fühlte, unterzog sich dessen Büßerritualen, stand nachts um drei Uhr auf und kniete betend auf Erbsen. Wie im Fieberwahn habe er den Roman in dreieinhalb Monaten geschrieben: "Dann war ich fertig, im doppelten Sinn."

Nach dieser Einführung beginnt er mit sanfter Stimme zu lesen. Manche Sätze klingen wie Beschwörungsformeln, jeden einzelnen untermalt Zaimoglu mit ausholenden Gesten. Er flicht Pausen ein, als würde er predigen. Das alles ist fesselnd, verlangt den Zuhörern aber hohe Aufmerksamkeit ab. Den Roman legte er als Zwiegespräch an und gab der Figur des Reformators den fiktiven Landsknecht Burkhard zur Seite. Das fand er spannender, als sich allein auf Luthers Perspektive zu berufen: "Der Landsknecht ist eine Zusammenschnurrung realer Charaktere. Ein misstrauischer Bewacher, der nichts auf den Heiligen Vater kommen lässt. Die beiden raufen, aber aus ihren Attacken erwacht mit der Zeit Sympathie."

Zaimoglu erwähnt, wie heftig sich der Verbannte auf der Wartburg vom Satan umzingelt gefühlt habe. Mit Luthers Stoßseufzer "Diese Tinte wird der Teufel lecken" endet der Roman.

(RP)
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