Düsseldorf Warum man in Detroit Düsseldorfer beneidet

Düsseldorf · Philipp Maiburg hat in der Motor City viele Fans der Gruppe Kraftwerk getroffen. Die Elektronik-Pioniere werden immer noch verehrt. Ein Reisebericht.

 Philipp Maiburg war in der US-Metropole Detroit unterwegs.

Philipp Maiburg war in der US-Metropole Detroit unterwegs.

Foto: Maiburg

Detroit ist eigentlich kein Kandidat für ein Ranking der lebenswertesten Städte. In der Hauptstadt Michigans befindet sich der Hauptsitz meines Arbeitgebers, eine US-Workwear-Marke. Das ist einer der Gründe, warum ich mich in den vergangenen Jahren intensiv mit der Motor- und Music-City auseinandergesetzt und Kontakte zu Zeitzeugen und Aktivisten der Musikgeschichte der Stadt geknüpft habe. Nun war ich selbst dort, und es war schön zu sehen, wie groß manche Augen wurden, wenn ich erwähnt habe, aus welcher Stadt in Europa ich kommen: "Oh, the city of Kraftwerk!"

Die Musik der Düsseldorfer hat wohl kaum auf der Welt so viel in Bewegung gesetzt wie in Detroit und New York. In den 70er Jahren, als noch fast jährlich ein neues Album der Band erschien, schlug dieser kühle, elegante, elektrische Sound aus Düsseldorf ein wie ein Blitz in die mit Funk, Soul und Rock sozialisierte Szene. Die ersten sehr Kraftwerk inspirierten Produktionen von etwa Juan Atkins oder Kevin Saunderson wurden dann wiederum in Europa als die Tanzmusik der Zukunft gefeiert und lösten hier das aus, was durch die Kompilation "Techno! - The New Dance Sound Of Detroit" seinen Namen fand.

In Detroit freute man sich über die wachsende europäische Szene, bot sie doch den DJs und Produzenten neue Märkte außerhalb der USA. Verwundert war man aber, dass die DJs in Europa die ganze Nacht ausschließlich Techno und House auflegten. In den USA, wo alle Musikstile miteinander gemischt wurden, eine seltsame Vorstellung. Für mich war es toll, aus erster Hand zu hören, wie sehr die unterschiedlichen Pop-Kulturen sich transatlantisch über mehrere Generationen beeinflusst haben.

Am Ankunftstag durfte ich dank eines Heimspiels der Detroit Tigers direkt Matchday-Luft atmen. Ein guter Einstieg um den Lokalpatriotismus Detroits mitzuerleben. Das ultracoole "D" der Detroit Tigers ist international zum Trademark der Stadt gewachsen und allgegenwärtig im Stadtbild. Zum Matchday ist es praktisch unmöglich, den Blick auf etwas ohne "D" zu richten. Davon sind wir in Düsseldorf mit dem Lebensfreude versprühenden ":D" noch weit entfernt.

Die Liste der aus Detroit stammenden Musiker und Labels scheint unendlich: Blues von Jon Lee Hooker, Jazz von Strata Records, Mo(tor) Town Soul und Funk mit Diana Ross, Smokey Robinson, Stevie Wonder oder Martha and the Vandellas, natürlich HipHop von J Dilla bis Eminem, Techno von Jeff Mills, Mike Banks, Carl Craig, Moodymann oder Omar S und Garage-Rock von The Dirtbombs bis Jack White. Und natürlich: Iggy Pop.

Wirtschaftlich und gesellschaftlich verlief es weniger konstant: Von zwei Millionen Einwohnern in den 50er Jahren sind nur noch etwa 650.000 übrig. Rassenunruhen in den 40er und 60er Jahren, die Ölkrise in den 70er Jahren und schließlich die Finanzkrise 2008 haben Detroit immer wieder hart geprüft. Die Stadt erklärte 2013 mit 18 Milliarden Dollar Schulden seinen Bankrott.

Die Folge: Detroit wird interessant für die kreative Klasse. Auch im Ausland steigt das Interesse - Dimitri Hegemann vom Tresor-Club Berlin engagiert sich derzeit, den Austausch der Städte zu stärken. Der Lokalpatriotismus ist auch in der Szene spürbar. DJs und Produzenten, die sich international etablieren konnten, engagieren sich sozial. Veranstaltungen mit geringem Eintrittspreis, Support von Musik-Projekten an Schulen, Sportveranstaltungen - die Arbeit in der Hood ist selbstverständlich. Die Message lautet "Say something good about Detroit". Unbedingt.

Info Der Autor ist Gründer des "Open Source"-Festivals

(RP)
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