Schauspielhaus Düsseldorf Vorhang auf für Moritz Führmann

Düsseldorf · Im Schauspielhaus gab es jetzt eine zweite Premiere von Gogols "Revisor" - erstmals mit Moritz Führmann, der bei einem Probenunfall verletzt worden war.

 Moritz Führmann als Chlestakow im "Revisor".

Moritz Führmann als Chlestakow im "Revisor".

Foto: Thomas Rabsch

Wenn vor Beginn eines Stücks der Intendant auf die Bühne springt, bedeutet das üblicherweise: Hauptdarsteller erkrankt, Bühnentechnik defekt oder Verzögerungen im Betriebsablauf. Als Wilfried Schulz, der von Pech verfolgte Intendant des Düsseldorfer Schauspielhauses, am Samstagabend vor den Vorhang der großen Bühne im "Central" trat, war bereits seiner Mimik anzumerken, dass er endlich einmal etwas Gutes vermelden würde. Erstmals spielte in Gogols "Revisor" derjenige die Hauptrolle des Chlestakow, dem sie von vornherein zugedacht war: Moritz Führmann, preisgekröntes Mitglied des Ensembles und Liebling auch des Fernsehpublikums.

Führmann ließ dann doch noch 20 Minuten auf sich warten. Das war keine Schikane, sondern vom Autor des Stücks so gewollt. Denn zuerst ereifern sich Bürgermeister und andere Honoratioren eines russischen Provinznestes darüber, was denn nun zu tun sei, nachdem bekannt geworden ist, dass ein Revisor aus der Hauptstadt St. Petersburg den Sumpf fauler Verhältnisse im Ort trockenlegen wolle.

Moritz Führmann füllt als Chlestakow die psychologische Studie, wie einer sich in eine Rolle tastet, mit jugendlichem Charme, später auch mit wunderbaren Wutausbrüchen, aus. Als es dem Habenichts mit den vielen offenen Rechnungen dämmert, dass seine seltsam devote Umgebung ihn für einen Revisor hält, dreht er die Verhältnisse im Ort um: Er selbst gibt jetzt den Ton an, während der Rest danach tanzen muss.

Das funktioniert ganz gut, zumal der falsche Revisor in seinem bordeauxfarbenen Jackett und der grauen Satinhose die Damen des Dorfs entzückt. Er bekommt nicht nur Geld, sondern auch Liebe - von des Bürgermeisters Ehefrau und dessen Tochter. Und wenn man ihm einen Drink reicht, sagt er nicht nein.

Einmal merkt Chlestakow an: "Kaum betrete ich einen Raum, schon ziehe ich die ganze Aufmerksamkeit auf mich." So ergeht es auch dem Darsteller: Moritz Führmann ist als Typ in seiner lässigen, zuweilen arroganten Art rasch der Mittelpunkt einer Gesellschaft. Und in der Partystadt Düsseldorf kommt solch ein Wiedererkennungseffekt an. In der Wirtschaftsstadt Düsseldorf kann man zudem damit rechnen, dass ein Thema wie Korruption auf offene Ohren stößt.

Gogol wollte in seinem "Revisor" und noch mehr in seinem Roman "Tote Seelen" dem russischen Volk einen Spiegel vorhalten, wollte es zu einer moralischen Umkehr aufrufen, in den "Toten Seelen" sogar mit religiösem Bezug. In der Düsseldorfer Inszenierung von Linus Tunström aber geht dieses Anliegen im mit lustigen Anachronismen gespickten Ablauf einer gut geölten Komödie unter. Der Inszenierung fehlen verstörende Momente.

Moritz Führmann ist das nicht anzulasten. Er wirkt temperamentvoll mit an einem Unterhaltungsabend. In seinem letzten Auftritt, vor seiner Abreise, tänzelt er mit einem Kuchen in den Händen traumverloren über die Drehbühne. Und dann folgt die Ankündigung, die folgen musste: Ein Revisor kommt, diesmal ein echter. Er ist bereits im Gasthof des Ortes abgestiegen. Doch im Provinznest weiß man ja schon, was zu tun ist: Geld zusammenklauben für die nächste Bestechung.

Das Publikum dankte mit lang anhaltendem Applaus, der spürbar dem gesamten Ensemble galt. Führmann hatte seine Sache gut gemacht, doch er war nicht der Einzige.

(B.M.)
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