Düsseldorf "Von Wagner kann man nur fasziniert sein"

Düsseldorf · Der schwedische Tenor Michael Weinius gibt in der Rheinoper sein Debüt als Siegfried im "Ring des Nibelungen".

Mit offenem Kragen, die Winterjacke zunächst noch lässig über dem Arm, folgt Michael Weinius der Fotografin in den Hofgarten. Es weht ein eisiger Wind. Ist ihm denn nicht kalt? Er schüttelt den Kopf. Und braucht er gar nichts, um den Hals zu schützen - als Tenor und dann noch so kurz vor der Premiere? Da lacht er nur und sagt: "Ich komme aus Stockholm!"

Am 7. April gibt Michael Weinius sein Rollendebüt als Siegfried in Dietrich Hilsdorfs "Ring"-Inszenierung an der Deutschen Oper am Rhein. Fast alle Wagner-Helden hat er schon gesungen. Bis auf Tannhäuser. "Das wird wohl auch nicht passieren", beugt er vor. "Die Musik ist herrlich, aber die Partie mag ich nicht." Mit Siegfried sei das völlig anders. "Ein wundervoller Charakter, wenn auch anfangs sehr naiv. Er weiß nur, dass er mit einem Zwerg im Wald wohnt. Mime will ihn töten, sie kämpfen den ganzen Tag", fasst er zusammen. "Siegfried lernt jedoch schnell. Er begreift, was Furcht ist und wie man schlechte Menschen erkennt."

Die Partie kam aus mancherlei Gründen relativ spät auf den 47-Jährigen zu. "Endlich passte alles", erklärt er. "Das Angebot aus Düsseldorf bekam ich vor über drei Jahren - Zeit genug für eine gründliche Vorbereitung. Ich konzentriere mich gern auf eine Sache." Außerdem hätte seine Stimme erst noch reifen müssen. "Du kannst sie zerstören, wenn du die Technik nicht beherrschst. Die Partie ist sehr schwer. Siegfried bleibt in den drei Akten drei Stunden lang auf der Bühne. Da muss man seine Kräfte gut einteilen. Ohne Erfahrung geht das nicht."

Mit der Rolle hatte er sich bereits einmal beschäftigt und sie in Teilen einstudiert - für Loriots Meisterstück "Der Ring an einem Abend", ebenfalls in Düsseldorf. "Das war die Idee von Axel Kober, und es fühlte sich gut an", sagt er. "Man darf keine unnötige Angst vor der Partie haben. Danach verspürte ich den Wunsch, Siegfried irgendwann in einer Neu-Inszenierung zu singen."

Natürlich reiste Michael Weinius mit einer Vision seiner Figur zu den Proben an den Rhein. "Trotzdem war ich wie ein weißes Blatt", fügt er hinzu. "Regisseure haben ihre eigenen Visionen. Ihnen sofort zu widersprechen, ist nicht konstruktiv." Es sei aber nicht schwierig gewesen, beide Ansichten zu kombinieren. "Wir hatten eine gute Zusammenarbeit", berichtet er. "Hilsdorf ist ein fordernder Regisseur, er duldet nicht, dass man mit halber Kraft dabei ist. Das kann anstrengend sein. Aber es brachte uns auch zügig voran." Er kommt auf die Gepflogenheiten in skandinavischen Opernhäusern zu sprechen. "Ein Riesenunterschied. In Deutschland ist man anspruchsvoller und erwartet, dass sich Sänger anstrengen und etwas abliefern", erzählt er. "In meiner Heimat erscheint mir vieles zu nett und zu gefällig. Auch das Verhalten des Publikums: In Deutschland wird gelegentlich gebuht, das ist ganz normal. In Schweden habe ich schon 20 Jahre keine Buhrufe mehr gehört. Da wird selbst bei schlechten Aufführungen frenetisch applaudiert."

Dennoch tritt Michael Weinius gern in Stockholm auf. Zu Hause zu sein und schöne Partien gestalten zu dürfen, sei ein Privileg. Sein Weg in die Opernwelt bahnte sich früh an. Als Kind sang er in einem Knabenchor, dessen Leiter auch dem Opernchor vorstand. So kam es, dass er schon als Elfjähriger in Giacomo Puccinis "Tosca" und "La Bohème" mitwirkte und bei Giuseppe Verdis "Otello" sein Schlüsselerlebnis hatte: "Ich stand hinter der Bühne, erinnere mich genau an den Geruch und die Dunkelheit. Das wollte ich für den Rest meines Lebens machen. Es war wie ein Märchen. Und ich hatte das Glück, es zu realisieren."

Was fasziniert ihn an Wagner? "Andersherum", antwortet er. "Ich kann mir nicht erklären, wie man von ihm nicht fasziniert sein kann. Je mehr du mit seiner Musik umgehst, desto reicher wird sie. Und jedes Mal wartet eine neue Erfahrung auf dich. Das allein zeigt das Genie dieses Mannes."

Premieren erlebt Michael Weinius noch immer als etwas Besonderes. "Ich bin nervös, auf positive Weise. Die letzten Stunden, bevor ich in die Oper gehe, sind furchtbar. Aber ich kann ja nicht schon um elf Uhr da sein. Ich hoffe an diesem Tag auf gutes Wetter, dann mache ich vorher einen Spaziergang." So wie nach unserem Gespräch, zurück in sein Apartment in Pempelfort. Was hat er noch vor heute? "Oh, nichts Besonderes. Ich werde gleich meine Wäsche waschen."

(RP)
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