Düsseldorf Unleserliche Schriften im Heine-Institut

Düsseldorf · Die Düsseldorfer Künstlerin Gabriele Begasse erstellt Schriftbilder, die nicht zu entziffern sind.

Von Goethe ist der Satz überliefert, dass wir vor allem aus Büchern lernen, die wir nicht verstehen. Gemeint sind Inhalte, die sich dem Leser nicht unmittelbar erschließen. Die Düsseldorfer Künstlerin Gabriele Begasse geht einen Schritt weiter.

Seit Jahren entwirft sie Schriften, deren Zeichen auf den ersten Blick vertraut erscheinen, die sich aber einer Entzifferung dauerhaft verweigern. Es sind kalligraphische Formen, auf der Suche nach einer angenommenen "Urschrift".

Als Treppenausstellung des Heinrich-Heine-Instituts ist ab jetzt bis zum 24. März ihr Projekt "schriftgestalten" zu sehen. Was passiert, wenn wir Schriften sehen, deren Sinn wir nicht entschlüsseln können? Erfreuen wir uns am Zusammenspiel der Formen oder versuchen wir, eine verborgene Bedeutung zu entdecken? Begasses Schriftbilder wirken auf den ersten Blick wie schöne Handschriften. Die Linien bewegen sich von links nach rechts, mal klein und gedrängt, dann wieder ausgedehnt und scheinbar ohne Schranken. Einige Bildunterschriften sind indes eine Herausforderung, doch nach Bedeutung zu suchen. Wie etwa beim "Liebesbrief". Andere beginnen mit dem Begriff "Palimpsest", und man sieht, wie eine ältere Schrift durch eine neue überlagert wird. Doppeltes Rätselraten ist angesagt.

In der Ausstellung sieht man die "schriftgestalten" auf Materialien des Alltags: Aluminium, Haushaltstüten, Mullbinden, Röntgenfilme oder Polycarbonatplatten. Auch auf transparenten Bildoberflächen, wie bei den "Schwebeschriften", die als im Raum hängende Elemente konzipiert sind. Die Zeicheninstrumente sind nicht weniger alltäglich. Oft verwendet Begasse handelsübliche Filzstifte. Es fällt dem Betrachter tatsächlich nicht leicht zu entscheiden, ob Lesen oder Sehen die angemessene Form der Wahrnehmung ist.

Für Gabriele Begasse ist "Urschrift" nicht, wie im Rechtssystem, das Original einer Urkunde. Vielmehr denkt sie an die "archi-écriture" des französischen Philosophen Jacques Derrida. Er verband mit diesem Begriff seine eigene Vorstellung von einer Schrift, die nicht mehr von einer Sprache abgeleitet ist. Ihre Symbole haben sich von der Rolle als Bedeutungsträger gelöst und führen ein Eigenleben. Das macht diese Schrift zur Bildenden Kunst.

(RP)
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