Düsseldorf "Turandot" auf Taiwanesisch

Düsseldorf · Für die Inszenierung der Puccini-Oper hat die Deutsche Oper am Rhein mit Produzenten und Künstlern aus Taiwan kooperiert.

Lucas Zenke, Herrenschneider (l.), und der Künstler und Kostümbildner Hsuan-Wu Lai.

Lucas Zenke, Herrenschneider (l.), und der Künstler und Kostümbildner Hsuan-Wu Lai.

Foto: Susanne Diesner

Kein Besucher der Rheinoper wird je ermessen können, mit wie viel Liebe, Sorgfalt und Detailversessenheit die Kostüme zu "Turandot" entstanden. Wenn Tibeter, Moslems und Mongolen die Bühne bevölkern, stimmt bei ihrer Bekleidung jede noch so kleine Winzigkeit. Von den Schuhen mit den nach oben gebogenen Spitzen, die den Boden nicht berühren dürfen, bis zu den akkuraten Knöpfen und dem prächtigen Hochzeitskranz aus Samt.

Die Premiere der Puccini-Oper fand in Duisburg statt. In Düsseldorf wird das Drama um die kaltherzige chinesische Prinzessin ab dem Frühjahr 2017 zu sehen sein. Was die Produktion herausragend macht, ist die Kooperation der Rheinoper mit dem "Wei-Wu-Ying-Center for the Arts" in Kaohsiung, Taiwan, das 2017 mit der "Turandot"-Inszenierung eröffnet wird. Darum das taiwanesische Team: Regisseur Huan Hsiung, Kapellmeister Wen-Pin Chien (der alternierend mit Axel Kober dirigiert), Bühnenbildnerin Jo-Shan Liang - und der exzentrische grafische Künstler und Kostümbildner Hsuan-Wu Lai. Er lebt und arbeitet in Taipeh, Peking und Shanghai. Durch spektakuläre Film-Ausstattungen und Modenschau-Konzeptionen für europäische Unternehmen wurde er international bekannt.

Lais Entwürfe für "Turandot" stellten die Schneiderei und die Hutmacherei der Rheinoper vor eine ihrer bisher anspruchsvollsten Herausforderungen. "Über viele Monate schickte er uns immer wieder neue Skizzen", erzählt Stefanie Salm, Leiterin der Kostümabteilung. "Wir befanden uns in einem ständigen Austausch. Die Stoffe besorgten wir hier, da kamen Kilometer zusammen. Vor allem die Solisten haben unglaublich viel Material am Körper." Das Volk trägt Naturtöne, die Hofgesellschaft Rot und Gold. Etliche Stoffe für die 240 Kostüme aus der Zeit der Yuan-Dynastie wurden künstlich auf alt getrimmt. Und dann die vielen Anproben. "Ein ewiges Hin und Her", sagt Stefanie Salm. "Man muss das alles erstmal mitmachen wollen. Wir haben auch noch Unmengen von Schmuckelementen nach historischen Vorbildern gefertigt."

Die Farben und Formen für die 180 Kopfbedeckungen hatte Hsuan-Wu Lai exakt vorgegeben. "Das war knifflig", sagt Modistin Chiara Langanke, "wir mussten uns ja in die ganze Geschichte erst einfühlen. Jedes Detail hat eine Bedeutung." Für einige Sänger entstanden besondere Hüte. Ping, Pang und Pong bekamen einen Rundkopf, dessen Unterlage aus Filz mit Leder bezogen wurde. Die leitende Modistin Simone Dali sagt, man habe sich auch von mancher Vorgabe des Kostümbildners verabschieden müssen: "Eine Haube mit Perlen war für die Sänger unpraktisch. Sie konnten dahinter nicht genug sehen und hören." Auch bei den Kopfbedeckungen war die Auswahl der Materialien wichtig: "Die Sachen müssen ja für Taiwan verpackt und verschifft werden. Dort herrscht eine hohe Luftfeuchtigkeit. Da darf kein Hut aus Pappe sein, der würde das nicht überleben."

Nach der Vorhut seiner beschrifteten Skizzen ("golden embroidery", "metal decoration") reiste Hsuan-Wu Lai kurz vor der Duisburger Premiere nach Düsseldorf, um in den Werkstätten letzte Hand anzulegen. Mit seiner schwarzen Kleidung, dem klotzigen Silberschmuck und der permanent getragenen Sonnenbrille erinnert er an Karl Lagerfeld. In Turandot, die ihre Verehrer gnadenlos köpfen lässt, wenn sie das ihnen auferlegte Rätsel nicht lösen, sieht der Kostümbildner "eine moderne Frau von heute, die einen Traum hat". Deshalb setzte er Stilmittel ein, die Bezüge zur Gegenwart herstellen: Regenschirme erinnern an die "Umbrella Revolution", mit der sich Taiwan gegen die Vereinnahmung durch China wehrte.

Das "Wei-Wu-Ying-Center for the Arts" wird die Hafenmetropole Kaohsiung im Süden Taiwans kulturell aufwerten. Ein gigantisches Gebilde aus Oper, Theater, Konzerthaus und Kongresshalle für 6000 Menschen. Die Zusammenarbeit mit der Rheinoper geht auf ein Gastspiel in Taipeh mit Wagners "Ring des Nibelungen" im Jahre 2006 zurück. Vorige Woche hielten sich Marketing- leute aus Taiwan in Düsseldorf auf. Sie feilen bereits an der Zeremonie zur Eröffnung des Kulturzentrums, deren Glanzpunkt die "Turandot" ist.

(RP)
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