"Tote Hosen"-Frontmann Campino erklärt den Punk im TV

Düsseldorf · Zusammen mit dem TV-Sender Arte sucht Campino, der Frontmann der "Tote Hosen" am Samstagabend in London nach den Spuren des Punk.

 Campino besucht Bob Geldof.

Campino besucht Bob Geldof.

Foto: ZDF

Manchmal merkt man Campino an, dass er als Fan da steht, in der Szene mit Viv Albertine etwa. Die Gitarristin der Punk-Band The Slits steht mit dem Sänger der Toten Hosen im "Roundhouse" in Camden und erzählt von dem Patti-Smith-Konzert, dass sie Ende der 70er Jahre an diesem Ort erlebt hat. In ihr Gesicht haben sich die Enttäuschungen der vergangenen Jahre gegraben, aber da sind auch noch die Wut und die Unbedingtheit, die diese Künstlerin, die ja gerade erst lesenswerte Lebenserinnerungen aufgeschrieben hat, charakterisieren. Sie berichtet also, wie Patti Smith sie befreit habe, wie das Frausein, das Smith auf der Bühne feierte, sie umgehauen und verändert habe. Sie sagt: "Patti Smith war wie Che Guevara." Dann zeigt die Kamera Campino, und er ist hin und weg.

"London's Burning" heißt das anderthalbstündige Feature, das Arte am Samstagabend um 22.50 Uhr ausstrahlt. Campino führt staunend und dozierend durch die Sendung, er reist nach London, wo er 1976 als 14-Jähriger "Zeuge der Punk-Explosion" geworden ist, wie er zu Beginn sagt. Er trifft die alten Helden, und man ist dankbar, dass er aus der Sache keine Retrofeier macht, sondern darauf aus ist, die Bedeutung der Bewegung für die Gesellschaft heute herauszuarbeiten. Er hinterfragt, ob vom Punk nicht bloß eine vermarktbare Hülle übrig geblieben ist, ein Industriezweig für Touristen und Zitatjäger.

Campino besucht Julien Temple, der die Sex Pistols filmte, er spricht mit TV Smith von den Adverts. Er steigt zu Charlie Harper von den UK Subs auf die Bühne. Er findet bei Rough Trade eine LP von The Damned und schaut sich an der King's Road 430 um, wo Malcolm McLaren und Vivienne Westwood ihre Boutique "Sex" führten. Und er schaltet rüber nach New York, wo Punk eine andere Akzentuierung hatte, poetischer war, existenzialistischer ausgelegt wurde - siehe Patti Smith.

Außerdem gibt es tolles Archivmaterial wie jenes Interview, das die Sex Pistols 1976 dem TV-Moderator Bill Grundy gaben. Sie pöbelten, wurden ausfallend. Die Boulevardmedien machten daraus einen derart großen Skandal, dass die Nation in Aufruhr geriet und auch der letzte Jugendliche merkte, wie attraktiv Dagegensein sein kann.

Wenn man "London's Burning" gesehen hat, weiß man, dass Punk zwar oberfächlich betrachtet eine Angelegenheit von Musik und Mode war, andererseits aber einen gesellschaftspolitischen Kern hatte, der bis heute glüht. England ging es nicht gut damals, Streiks, Aufruhr und Punk war die Freiheitsbewegung. "Ich mach das einfach mal", so beschreibt Bob Geldof von den Boomtown Rats Punk. Punk hat die Rolle der Frau im Pop verändert, weil er zu großen Teilen von Künstlerinnen wie Debbie Harry, Siouxsie Sioux und Chrissie Hynde definiert wurde. Punk hat Selbstbewusstsein gelehrt und die Industrie verändert.

Campino findet Spuren des Punk in jungen Genres wie Grime, bei Nachwuchs-Bands wie Maid Of Ace. Die Zeit sei wieder reif für Punk, sagt Bob Geldof schließlich und begründet das mit dem Erfolg von Donald Trump. "Die Kids müssten jetzt mit etwas kommen, das Du nicht für möglich hältst, wenn du es siehst." Dann schweigt er, und über seinem Kopf flattert ein imaginäres Banner.

Darauf steht: "Punk's Not Dead".

Am 13. August ab 22.50 Uhr bei Arte

(hols)
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