Düsseldorf Tonhalle entdeckt Jean Sibelius als Theatermann

Düsseldorf · Jubiläen großer Komponisten werden oft zum Anlass genommen, deren Werke neu zu überdenken und Vergessenes hervorzuholen. Im Falle von Jean Sibelius, der am 8. Dezember 150 Jahre alt geworden wäre, hat sich in dieser Hinsicht nicht allzu viel getan. In Finnland war er präsent wie eh und je, hierzulande wurde er als der große Symphoniker gefeiert, den man zu kennen glaubt.

Nun aber hat die Tonhalle einen leicht verspäteten Beitrag zum Sibelius-Jahr geliefert, der in jeder Hinsicht verblüffend ist: Sibelius' groß angelegte, aber nie gespielte Bühnenmusik zu Shakespeares "Der Sturm" zeigt den Theatermann Sibelius, der über eine enorme Farb- und Stilpalette verfügt und das Anekdotische beherrscht, der karikieren kann und herrlich leichte Zwischenspiele komponiert, die so sonnentrunken klingen, als brauste jemand mit dem Cabrio eine süditalienische Serpentinenstraße hinunter.

Nun ist die Tonhalle keine Sibelius-Forschungsstelle, die Entdeckung von "Stormen" - Sibelius schrieb die Bühnenmusik für das Kopenhagener Theater auf Dänisch - verdankt sich dem großen Erfolg, den 2012 Griegs "Peer Gynt"- Schauspielmusik mit John Fiore am Pult einheimste. Man wollte zu Fiores neuerlicher Heimkehr wieder eine Bühnenmusik, die den Konzertdirigenten Fiore mit dem Opern-Dirigenten vereint. Bei Sibelius ist Fiore noch stärker gefordert als bei Grieg: Die Stimmungswechsel sind extrem schroff, die Sätze von lakonischer Knappheit, alles muss auf den Punkt sitzen.

Der ehemalige GMD schöpft mit den Düsseldorfer Symphonikern aus dem Vollen, sein lustvoll, schwelgendes Musizieren strömt generöser denn je, aber er setzt auch scharfe rhythmische Akzente, trocknet Klänge aus - da hört man, dass Sibelius ein Zeitgenosse Strawinskys war! - und reichert neobarocke Passagen mit Ironie an. Überwältigend kühn in ihrer tonalen Freiheit und dem Mut zur Geräuschmusik ist schon die Sturm-Ouvertüre, die Fiore geradezu entfesselt. Für die beteiligten Sänger sind die Aufgaben in "Stormen" vergleichsweise undankbar: Einzig Tuija Knihtiläs satter Mezzo darf als Ariel einige Lieder anstimmen, die restlichen vier Soli treten nur kurz auf, auch der Chor begnügt sich mit knappen Einwürfen. Ganz anders das Trio, das sich die gesprochenen Texte aufteilt: Johann von Bülow, Stefan Wilkening und Laura Maire springen virtuos und textverständlich umher zwischen bis zu sechs Rollen. Perfekt aufeinander eingespielt sind die Drei, geistreich und von feinsinnigem Humor und so erheblich daran beteiligt, dass aus diesem Abend ein Theaterereignis wird. Große Begeisterung für alle Beteiligten, allen voran für Fiore.

(RP)
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