Düsseldorf Szenische Lesung mit Hans Hollmann

Düsseldorf · 1974 inszenierte Hans Hollmann "Die letzten Tage der Menschheit" an zwei Abenden im Basler Theater in einer siebenstündigen Vorstellung. Seitdem ließ ihn der Stoff nicht los. Karl Kraus schildert in seinem Drama eine Gesellschaft zwischen "Freudenhaus und Schlachthaus", deren Apathie in barbarische Kriegsbegeisterung umschlägt.

Im Düsseldorfer Schauspielhaus las Hollmann aus dem Antikriegsdrama nicht nur vor, sondern ließ mit der Ausdruckskraft seiner Stimme die Charaktere lebendig werden: Den notorischen Nörgler, den Spekulanten, die Schauspielerin, den Patrioten, Wachleute, Kleinbürger und Minister. Über 500 Personen treten in dem Vorlesedrama auf, das Kraus während des Ersten Weltkriegs schrieb.

Der 1933 geborene Regisseur und Schauspieler Hollmann liest im Stehen, in Grau gekleidet. Nichts soll ablenken. Hollmann glaubt, dass Kraus die Sprache als schlimmste Täterin, als gefährlichste Waffe des Menschen entlarvt habe. Der Krieg könne zu einem Seelenaufschwung führen, glauben jene, die nicht an die Front müssen. "Serbien muss sterbien!" grölen die Massen. Und auch die österreichische Presse spielt mit ihrer kriegsfördernden Rhetorik eine unrühmliche Rolle. Über ein Drittel des Textes montierte Kraus aus Zitaten. Fündig wurde er in Zeitungen, militärischen Tagesbefehlen, Briefen oder Urteilen.

Dass das Stück bis heute nichts von der beunruhigenden Wirkung verloren hat, belegen Dialoge, die gleichsam aus der Realität entnommen sind. Da kommen die Unfähigkeit und Lächerlichkeit der Monarchen, die Kultur der Drückeberger oder die Macht der Ideologen zur Sprache. Das "einfache Volk" wird mit Durchhalteparolen besänftigt: "Der Wiener speziell ist ein prima Durchhalter. Alle Entbehrungen tragen sie bei uns, als ob es ein Vergnügen wär", stellt der Patriot fest.

Ein unterhaltsamer, nachdenklich stimmender Abend, mit einem vitalen Regisseur, der das Publikum in seinen Bann zog.

(RP)
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