Düsseldorf Spiegel, Rosen und die Ewigkeit

Düsseldorf · "Die Schneekönigin" ist eine Familienoper und ein Abenteuer mit Aktualität.

 Adela Zaharia als "Schneekönigin".

Adela Zaharia als "Schneekönigin".

Foto: Hans Jörg Michel

Nehmen wir mal den ersten Akkord. Das ist ein gruselig dröhnendes Geschepper, wie es in (alten) Krimis an der spannendsten Stelle aufbraust. Wenn dieser Klang sich alsbald löst in ein feineres Gespinst aus melodischen Motiven, sitzen gerade die ganz jungen unter den Rheinoper-Besuchern senkrecht auf den Sitzkissen, die Nackenhärchen aufgerichtet. Oder sie sind verdächtig nah an Mamas weiche Seite gerückt. Ja: Für schwache Nerven ist "Die Schneekönigin" nichts, auch wenn sie ihr Komponist und Textschreiber Marius Felix Lange "Familienoper für Menschen ab sechs" nennt. Es geht zwar alles gut aus, aber bis dahin...

Die Premiere endet in Jubel. 90 Minuten Hochspannung im Wechsel mit romantischen Musical-Klängen, einem Schlaflied zum Mitschnarchen, vielen lustigen Gestalten und Szenen und ganz viel Theaterzauber haben sich in (reichlich kitschiges) Wohlgefallen aufgelöst. Kay und Gerda (Dmitri Vargin und Heidi Elisabeth Meier) liegen sich knutschend in den Armen, der Deubeltroll schleift die nichtsnutzigen Kindertrolle an langen Ohren fort, die Großmutter strickt wieder Strümpfe und die Schneekönigin schaut in die Röhre. Noch einmal erklingt das Rosen-Lied und das Liebes-Leitmotiv findet seinen Weg durch die sentimentalen Register des Altstadtherbstorchesters. Wow! So schön, so emotional, so großartig voller Fantasie kann Oper sein.

Markus Felix Lange, der "Die Schneekönigin" als Auftrag des Kinderoper-Konsortiums Junge Oper Rhein-Ruhr aus Motiven der Märchen von Hans Christian Andersen zusammengesetzt hat, spielt überlegen mit den Mitteln zeitgenössischer Musik. Das ist zwar Stilmix, aber irgendwie gekonnt. Lange tunkt das junge Liebespaar in watteweiche Klänge, malt die klirrendkalte Welt der Schneekönigin mit Glockenspielen, höchsten Geigen und Flöten, lässt die vorzügliche Adela Zaharia im ewigen Eis singen. Die lustigen, hinterhältigen Trolle kriegen ebenso ihre eigen Klänge wie die Blumenfrau. Einmal, als dem Kai der unglückselige Spiegel-Splitter ins Auge (und ins Herz) fährt, singt ein kleiner Chor ganz wunderschön vom Erfrieren des Glücks.

Hinreißend sind die Einfälle der Theatermacher, die eine Räuberhöhle aus dem Boden emporwachsen lassen, mit der Nebelkanone gespenstisch herumwabern können. Unterwasserwelt, Blumenwiese, Eispalast - alles kein Problem. Die Kostüme sind so verschwenderisch schön wie charakterisierend, das Licht ein Zauber. Da haben Johannes Schmid (Regie), Tatjana Ivschina (Bühne und Kostüm) und Volker Weinhardt (Licht) Großes geleistet. Die Musik (mit brillantem Orchester und ebensolchem Projektchor von der Hochschule) verantwortet Ville Enkelmann, die Sänger werden von ihm auf Händen getragen. Unter sämtlich exzellenten Sängern stechen Wolfgang Schmidt als Krähe, Lukas Konieczny als Rentier und David Jerusalem als Deubeltroll hervor. Sechs Vorstellungen gibt es wieder - ab November.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort