Düsseldorf Sechs Uraufführungen an einem Abend

Düsseldorf · Bei den Proben für den Abend "Young Moves" in der Rheinoper werden sechs neue Choreografien einstudiert.

 Chidozie Nzerem tanzt zusammen mit Alexandra Inculet seine Choreografie "Edge of Reason".

Chidozie Nzerem tanzt zusammen mit Alexandra Inculet seine Choreografie "Edge of Reason".

Foto: Gert Weigelt

Ganz eng schart Wun Sze Chan ihre Truppe um sich, gibt den sechs Tänzerinnen und drei Tänzern mit sanfter Stimme Anweisungen. Dann nehmen sie ihre Position ein. Man hört ein über Band eingespieltes tiefes Atmen, ein Geräusch, das ans Tauchen erinnert. Tatsächlich ist diese Szene aus der Uraufführung "No Destination" unter Wasser verortet. Wie eine Welle bewegen sich die Tänzer über die Probebühne im Balletthaus. Dort entstehen derzeit ganz unterschiedliche Stücke für den Abend "Young Moves". Das Projekt der Schläpfer-Kompagnie gab es 2016 erstmals in Duisburg. Nun stellt Düsseldorf bei der Premiere am 4. Juli sechs Choreografien vor, allesamt Uraufführungen, die Mitglieder aus dem Ensemble mit ihren Kollegen erarbeitet haben. Sie hatten sich mit ihren Ideen beworben und waren für "Young Moves" ausgewählt worden. Wun Sze Chan aus Hongkong tanzt seit 2010 im Ballett der Rheinoper. "Alles Leben hat seinen Ursprung im Wasser, das will ich zeigen", beschreibt sie ihre Choreografie. "Das Atmen spielt dabei eine große Rolle. Die Musik unterstreicht das noch, sie wurde ganz neu komponiert."

Voriges Jahr in Duisburg war sie auch schon dabei. "Es ist sehr schön, die ersten Erfahrungen als Choreografin mit professionellen Tänzern machen zu können", sagt sie. Was ist anders als beim üblichen gemeinsamen Training? "Ich muss sorgfältig auf meine Kommunikation achten und sehr deutlich erklären, welche Vorstellungen ich habe", sagt Wun Sze Chan. Von dieser intensiven Arbeit könne sie auch als Tänzerin profitieren, glaubt sie. "Das eine ist mit dem anderen verknüpft. Ich habe großes Interesse daran, mich choreografisch weiterzuentwickeln." Ihre Darbietung wird den Abend eröffnen. Das Bühnenbild gestaltet der Düsseldorfer Künstler Walter Padao. Jeder der Neu-Choreografen hat bei den Proben einen erfahrenen Ballettmeister zur Seite, der Tipps gibt, sachte korrigiert oder Fragen aufwirft, die gelöst werden sollten. Ansonsten aber ist es der Sinn des Projektes, für alle Abläufe allein verantwortlich zu sein: sich mit Technik und Licht abzustimmen, im Budgetrahmen zu bleiben, vor allem aber die Herausforderung zu meistern, eine eigene Aufführung auf die große Bühne im Opernhaus zu bringen.

Ein spannender Seitenwechsel für die Tänzer. Im Balletthaus wird an den Choreografien bis zur Premiere gefeilt, aus jedem Saal dringt eine andere Art von Musik. Bei Michael Fosters "East Coasting", dem Schlusspunkt des Programms, sind es Jazz-Klänge von Charles Mingus. Acht Tänzer wirken mit. Gerade probt er mit Claudine Schoch und ist an einem Punkt nicht ganz zufrieden mit seiner Choreografie. Er stoppt die Musik, tüftelt weiter - bis die erwünschte Harmonie da ist. Doris Becker löst ihre Kollegin ab. "Mach die Bewegungen so groß wie möglich", bittet Michael Foster. "Sie müssen ganz bestimmt sein, wie ein Stakkato." Er beäugt sie im Spiegel, gibt seine Kommentare ab und ist bald zufrieden: "Da war gut, das auch und das auch. Du hast ein tolles Timing." Nach der Probe sagt Doris Becker, die als eine unter wenigen Deutschen bereits ihre zwölfte Spielzeit in der Kompagnie hinter sich hat: "Einen Kollegen in der Choreografen-Rolle zu erleben, ist anregend und macht Spaß. Wir haben ein prima Verhältnis, deshalb fällt es mir leicht, Michaels Visionen zu folgen. Jeder von uns hat in dem Stück eine eigene kleine Rolle."

Der Amerikaner Michael Foster stammt aus Oklahoma. Er schloss seine Ausbildung in Texas ab und wollte danach nach Europa. "Ich wusste, die Bedingungen für Tänzer sind dort viel besser, für mich hatte das etwas Magisches", erzählt er. 2009 kam er nach Hannover und vor vier Jahren nach Düsseldorf. "Tänzer zu sein, bedeutete für mich seit jeher eine handwerkliche Langzeit-Ausbildung zum Choreografen. Diesen Weg will ich gehen." Seine ersten Schritte machte er bei einem Projekt in Hannover und 2016 bei "Young Moves". Schon als Jugendlicher begeisterte ihn der Jazz und speziell die Kompositionen von Mingus. Mit "East Coasting" setzt Michael Foster Momentaufnahmen aus seinem bewegenden Jahr 2015 um. "Damals passierte sehr viel, Gutes wie Schlechtes. Ich habe geheiratet und meinen besten Freund verloren. Er starb ganz plötzlich auf tragische Weise. Dann geriet die glückliche Ehe meiner Eltern in eine Krise, was mich schwer erschütterte", erzählt er. "Wie es ist, nach Schicksalsschlägen wieder aufzustehen, davon handelt dieses Stück."

(RP)
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