Düsseldorf Russisches Meisterkonzert mit vielen Zugaben

Düsseldorf · Will man Tschaikowskys b-Moll-Klavierkonzert, diesen Ohrwurm mit dem Akkord-Schrummschrumm am Beginn, eigentlich mit einem russischen Pianisten und einem russischen Orchester hören? Noch satter, noch schmalziger, noch pathetischer?

Wer da beim zweiten Meisterkonzert in der Tonhalle skeptisch war - der volle Saal jedoch sprach eine andere Sprache -, war nach den ersten Takten schlauer: Statt Klischees kamen feine, schlanke Töne von der Bühne, zumindest vom Klavier. Denn Nikolai Tokarev, einer der Stars seiner Zunft, schlug ein flottes Tempo an, vermied die üblichen Mätzchen und musizierte munter drauflos.

Die Russische Nationalphilharmonie spielte saftig und mit offenen Ohren auf, wenn auch nicht allzu edel. Was einerseits an Vladimir Spivakov lag, dem Gründer und Chefdirigenten, der zwar beredt mit den Armen ruderte, aber einige Übertreibungen in der Lautstärke und wenige Ungenauigkeiten in den Streichern nicht vermeiden konnte. Bei heiklen Pizzicati schaute das Kollektiv ohnehin lieber auf den Konzertmeister.

Aber Tschaikowskys Hit tat seine Wirkung, Tokarev umschiffte virtuos jede absturzgefährdete Passage, erging sich ausgiebig in der Kadenz und brachte das Werk fulminant zu Ende. Zwischendurch, als der zweite Satz zum Ausgangstempo zurückkehrte, durfte man im Konzertsaal auch schon mal ergriffen die Luft anhalten. Dies führte allerdings bei einer Dame im zweiten Parkett zu einem ausgiebigen Erstickungsanfall.

Nach der Pause erklang Rachmaninow, kein Klavierkonzert, sondern die drei Sinfonischen Tänze, Nummer eins bekannt als Titelmelodie der Fernsehsendung "Quarks & Co". Tolle Stücke, mit allem Drum und Dran: Klavier, Harfe, Tamtam in finaler Funktion. Saxophon, Bassklarinette, gestopfte Trompeten, Piccolo und kleine Trommel mit Sonderaufgaben, dazu russische Seele in Höhen und Tiefen, sogar das "Dies irae".

Die Damen und Herren aus Moskau zeigten klangliches Raffinement, selbst wenn einige der drastischen Höhepunkte ins Vulgäre entglitten. Aber der Saal zeigte sich auch hier begeistert.

Was Spivakov zu insgesamt vier (!) Zugaben veranlasste, eine mitreißender als die andere. Darunter sensationell das Intermezzo aus Schostakowitschs Oper "Lady Macbeth von Mzensk". Schon Tokarev hatte den ollen Tschaikowsky mit Liszts Etüde "un sospiro" klanglich und musikalisch alt aussehen lassen. Das Publikum schwärmte von einem Konzert der Zugaben.

(RP)
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