Düsseldorf Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin brilliert in der Tonhalle

Düsseldorf · Peter Tschaikowskys Ballett "Der Nussknacker" ist ein Sonderfall, denn es erzählt zwar ein surreales Märchen nach der Vorlage von E.T.A. Hoffmann, aber eigentlich ist die Partitur lupenreine Programmmusik. Marius Petipa hatte seinerzeit aus Hoffmanns abgründiger Geschichte ein harmloseres Ballett-Libretto destilliert, das Tschaikowsky jedoch köstliche Steilvorlagen zur musikalischen Ausmalung bot. Vom "Marsch der Zinnsoldaten" über den "Schneeflocken-Walzer" bis zum "Tanz der Zuckerfee" ist "Der Nussknacker" kein Handlungsballett, sondern eine Suite von charakteristischen Miniaturen, bestens geeignet, auch pur im Konzertsaal zu bestehen.

Zumal, wenn diese zugleich zierlich und opulenten Stückchen derart verschwenderisch ausgemalt werden, wie von dem famosen Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin, das unter seinem neuen Chefdirigenten Vladimir Jurowski in Aufbruchsstimmung ist. 14 Jahre lang war Marek Janowski Chefdirigent des Orchesters, pflegte vor allem das romantische Kernrepertoire und galt als straffer Orchestererzieher. Nun ist mit Jurowski einer der begehrtesten Pultstars der mittleren Generation am Ruder, der gerade als Top-Kandidat für die Nachfolge von Kirill Petrenko an der Münchener Staatsoper gehandelt wird. Der gebürtige Russe ist im schlichten schwarzen Gehrock mit Stehkragen eine charismatische Erscheinung, deren Ausstrahlung irritierend zwischen mönchischer Strenge und Liszt'scher Grandezza schillert. Seine Zeichen setzt er knapp und mit Präzision in den Raum, die Ökonomie seiner Bewegungen ist so phänomenal wie seine energetische Spannung, die über 90 Minuten nicht einmal die Idee eines Zwischenapplaus aufkommen lässt. Denn Jurowski lässt in einem einzigen langen Atem die spieltechnisch äußerst anspruchsvollen Miniaturen quasi attacca durchspielen. Und das jung und mit hohem Frauenanteil besetzte Orchester folgt ihm auf der Stuhlkante sitzend und entfesselt mitreißendes Temperament und famosen Spielwitz.

So rutschen Tschaikowskys Klangbilder nie ins Klischee ab, sondern klingen impressionistisch delikat. Makellose Instrumental-Soli und ein glutvoller Streicherklang unterstreichen die Spitzenklasse des Orchesters. Mächtiger Applaus und Bravi auch für den faszinierenden Jurowski, von dem man Großes erwarten darf.

(RP)
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