Düsseldorf Polit-Revue mit geringer Fallhöhe

Düsseldorf · Das Stück "Düsseldorf first!" bringt Lokalpolitiker auf die Bühne. Es ist kurzweilig, wird seinem Anspruch aber nicht gerecht.

 Szene aus "Düsseldorf first!". Zum Ensemble gehören Stephan Meyer, Heiner Geldermann, Marvin Wittiber, Edith Steuten, Britta Kollmann, Marie-Catherine Meyer, Gedeon Mfebe, Anna-Maria Lienau, Michael Swoboda, Aljoscha Leonard.

Szene aus "Düsseldorf first!". Zum Ensemble gehören Stephan Meyer, Heiner Geldermann, Marvin Wittiber, Edith Steuten, Britta Kollmann, Marie-Catherine Meyer, Gedeon Mfebe, Anna-Maria Lienau, Michael Swoboda, Aljoscha Leonard.

Foto: Rabsch

Als das Programm für die zweite Spielzeit von Wilfried Schulz am Schauspielhaus vorgestellt wurde, formulierte der Intendant für das Stück "Düsseldorf first!" der Bürgerbühne einen hohen Anspruch. Es sollte untersuchen, welches die dringenden Themen der Stadt sind, wie zukunftsfähig die Lokalpolitik in diesen Fragen ist und welcher Mechanismen sie sich dabei bedient. So viel darf man vorwegnehmen: Regisseurin Miriam Tscholl ist diesem Anspruch nicht gerecht geworden. "Düsseldorf first!" erweist sich als kurzweilige Unterhaltung, als Polit-Revue, jedoch weniger als diskursives Angebot aus dem Theater in Stadtgesellschaft und Politik.

Trotzdem ist das Stück einen Besuch wert, denn es gibt einen wichtigen wie hilfreichen Einblick in das Innenleben und die Psychologie der Düsseldorfer Kommunalpolitik und ihrer Akteure. Da ist zum Beispiel Heiner Geldermann, Verwaltungsjurist und Mitglied der CDU. Er bezeichnet sich als konservativ. "Nicht Merkel-konservativ, sondern konservativ-konservativ". Wie alle anderen Mitwirkenden auf der Bühne ist er kein professioneller Schauspieler. Er entschied sich für das Projekt, "weil es gut ist, wenn im Theater auch einmal konservativere Positionen vertreten werden". Welche das sind oder sein könnten, wird im weiteren Verlauf des Stücks nur angerissen. Keine Akte, sondern Tagesordnungspunkte gliedern an diesem Abend die Materie.

Angefangen wird mit den Kanadagänsen im Zoopark und der vermeintlichen Verunreinigung durch deren "Verkotung". Die sich kaum voneinander unterscheidenden Anträge und Wortbeiträge aus der Bezirksvertretung dazu werden vorgetragen, und schließlich lässt man das Publikum mittels elektronischer Abstimmungsgeräte darüber abstimmen. Das Ergebnis wird direkt projiziert. Aber sind die Kanadagänse eines der dringlichen Themen in der Stadt? Nein. Wohl eher taugt es für gutwillige Satire auf das Klein-Klein der Kommunalpolitik.

Die großen und wichtigen Themen dieser Stadt, wie die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum oder die Integration neuer Mitbürger in die Stadtgesellschaft, werden bestenfalls gestreift. Beispielhaft dafür ist der entsprechende Tagesordnungspunkt zur Schaffung von Wohnraum. Auf Initiative von Aljoscha Leonhard, Anarcho-Syndikalist der Freien Arbeiter*innen Union, darf das Publikum über die Frage abstimmen, zu welchen Konditionen Eigentümer von Immobilien, die diese mehr als sechs Monate leer stehen lassen, enteignet werden dürfen. Ohne Entschädigung, zu zehn oder zu 30 Prozent des Marktwerts. An anderer Stelle wird Leonhard von der Mitwirkenden der Grünen, Edith Steuten, angeherrscht, dass Anarchisten verbissen, spaßbefreit und ewiggestrig seien. Das ist angesichts des Abstimmungsvorschlags nicht ganz von der Hand zu weisen.

Natürlich soll und kann das Theater nicht den Job der Politik erledigen. Jedoch kann es sich als Impulsgeber oder kritischer Ratgeber verstehen. Diese Chance wird an diesem Abend nicht genutzt. Stattdessen kratzt "Düsseldorf first!" an der Oberfläche, arbeitet sich an Eitelkeiten und Befindlichkeiten kommunalpolitischer Tätigkeiten ab. So moniert Ratsherr Ulf Montanus in seinem Gastauftritt, dass er für sein politisches Ehrenamt mit einem Wochenpensum von circa 30 Wochenstunden lediglich 800 bis 1000 Euro Aufwandsentschädigung erhalte. Gegenrechnung: Das entspricht in etwa anteilig der Vergütung in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns, dessen Erhöhung die FDP seit Jahren vehement ablehnt.

So sehr das Stück auf der Inhaltsebene enttäuscht, so sehr überzeugen die Darsteller. Ihre Spielfreude spürt der Zuschauer in jedem Moment. Dadurch werden auch gelegentliche Textaussetzer, Versprecher oder verpasste Einsätze wettgemacht. Miriam Tscholl hat in nur sechs Wochen ein in sich geschlossenes Ensemble aus den verschiedenen Politcharakteren formen können. "Die labern doch nur!", begründet der junge Conférencier Gedeon Mfebe, der leider zu selten zu sehen ist, sein politisches Desinteresse.

Das gilt gewissermaßen auch für den Abend. Denn Antworten auf dringende Fragen der Düsseldorfer Stadtgesellschaft werden nicht gegeben. Vielleicht kann man das aber auch nicht verlangen.

(RP)
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