Düsseldorf Musikalische Sternstunden in der Tonhalle

Düsseldorf · Zum Ende seiner "Top 100"-Serie diskutierte RP-Musikredakteur Wolfram Goertz mit drei renommierten Klassikkennern.

 Die Rotunde der Tonhalle als Forum der Fachleute - und gelacht wurde auch oft, gerne und laut (v. l.): Axel Kober, Wolfram Goertz, Mihkel Kütson und Michael Becker. Das Publikum forderte eine Wiederholung.

Die Rotunde der Tonhalle als Forum der Fachleute - und gelacht wurde auch oft, gerne und laut (v. l.): Axel Kober, Wolfram Goertz, Mihkel Kütson und Michael Becker. Das Publikum forderte eine Wiederholung.

Foto: Hans Jürgen Bauer

Da sitzen vier Herren beisammen, hören klassische Musik, reden darüber - und die Rotunde der Tonhalle ist glänzend besetzt, zusätzliche Stühle werden herbeigeholt. Fast 300 Besucher sind am Ende versammelt. In diesem Fall muss man sagen, dass Wolfram Goertz, Musikredakteur der Rheinischen Post, schuld daran ist. Denn er hat in den letzten Wochen seine "Top 100 der Klassik" in der Zeitung veröffentlicht, und die Diskussion darüber geht weiter.

Um noch mehr darüber zu reden und auch zu hören, hatte Goertz hochrangige, kompetente Gäste eingeladen: die Generalmusikdirektoren Axel Kober (Rheinoper Düsseldorf/Duisburg) und Mihkel Kütson (Theater Krefeld/Mönchengladbach) sowie Michael Becker (den Intendanten der Düsseldorfer Symphoniker und der Tonhalle). Mit dem Publikum lauschten sie den CDs, die sie mitgebracht hatten, und versuchten, der "Magie der Meisterwerke", so der Titel der Veranstaltung, auf die Spur zu kommen. Respekt voreinander einte die Runde. Man muss ja nicht so weit gehen wie die Besucher eines bayerischen Wagner-Forums, die sich Namen wie "Hagen" oder "Cosima" geben und Goertz' Liste bejubeln oder wütend ablehnen, weil sie die Genres mischt und Bach mit Chopin vergleicht.

Alle Teilnehmer betonten, wie subjektiv eine solche "Top 100"-Liste sein müsse. Denn wie viel anderes spielt da neben der musikalischen Einschätzung mit hinein: die persönliche Erinnerung zum Beispiel - weswegen Goertz auch "Peter und der Wolf" aufgenommen hat, wenn auch nur auf Platz 100. Aber auch die Tagesform (des Hörers) entscheidet über Neigungen; bei einem Konzertbesucher mag es sogar an seiner Begleitung liegen. Es können Stellen sein, die manchmal nur Sekunden dauern, die aber einer Erweckung gleichen. In vielem konnte man sich jedoch einigen: dass etwa Plácido Domingo einen großartigen Otello unter Carlos Kleiber in der Mailänder Scala gegeben hat und dass Luciano Pavarotti völlig ungeeignet für diese Rolle war.

Manches überraschte, so Beckers Hör-Mitbringsel "España" von Emmanuel Chabrier. Der süffisante Kommentar lautete, dass es Stücke gebe, die durch eine gute Interpretation eindeutig gewinnen. Man merkt es schon: Hier begegnete man einander gut gelaunt, und trotz ernsthafter Diskussion blieb Platz für Bonmots und Anekdoten, Ironie und Frotzeleien.

Denn das ist das Geheimnis des Klassik-Kenners (und mit denen hatten wir es ja zu tun): Er kennt nicht nur die besten Stücke, sondern auch die besten Aufnahmen. Denn anders als in der Popmusik sind wir bei der Klassik zum größten Teil auf Interpretationen angewiesen, also auf die ansonsten eher verschmähten Cover-Bands. Deshalb lauschen wir auch mit besonderem Vergnügen den konservierten Aufnahmen großer Sängerinnen oder Sänger wie Kathleen Ferrier oder Fritz Wunderlich.

Die Zuhörer-Runde lauschte konzentriert, und laut erscholl der Wunsch, dass es solche Veranstaltungen doch regelmäßig oder zumindest öfter geben möge, in deren Mittelpunkt natürlich klassische Musik steht. So erklang am Ende das letzte Lied aus Schumanns "Dichterliebe" in der Aufnahme des unvergesslichen Fritz Wunderlich, am Klavier der nicht minder unvergessliche Hubert Giesen.

Hinweis: Zum Anhören der Playlist benötigen Sie einen Spotify-Konto. Einige Werke sind in der von Wolfram Goertz ausgewählten Einspielung nicht auf Spotify verfügbar. Diese tauchen deshalb nicht in der Playlist auf.

(RP)
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