Düsseldorf Moderne Ritterkämpfe im Tanzhaus NRW

Düsseldorf · Mit enormer Artistik und irrem Tempo zieht die Kanadierin Louise Lecavalier in "Battleground" in die Schlacht. Jubel bei der Uraufführung.

Sprechen wir zunächst von Italo Calvino: Der veröffentlichte 1987 den Roman "Der Ritter, den es nicht gab", eine Satire um den Kult des Ritters, der eigentlich gar nicht existiert, sondern nur durch seinen Willen zum Leben erweckt wird. Louise Cavalier, die kanadische Ausnahmetänzerin, hat sich davon inspirieren lassen und mit "Battleground" ein Stück geschaffen, in dem sie durchaus existiert und von einem Tänzer (Robert Abubo) und einem Musiker/DJ (Antoine Berthiaume) begleitet wird. Ihr Name ist Programm, denn von Cavalier zu chevalier und zum Ritter ist es nicht weit. Doch ist Lecavalier nicht am Mythos interessiert, sondern an den körperlichen Möglichkeiten, die ihr eine solch ambivalente Figur bietet: Sie ist die Tänzerin, die erst der Tanz zum Leben erweckt. Statt der glänzenden Rüstung trägt sie schwarze Lederhose und ein schwarzes Sweatshirt mit Kapuze, auch eine Art Rüstung, die schützt und zugleich beengt.

So wird der Tanz, der zu Beginn ein Solo ist, ein Kampf gegen den eigenen Körper, ein Strampeln, Gestikulieren und Aufbegehren. Seit sie vor 16 Jahren die Companie La la La Human Steps verließ, ist Lecavalier auf der eigenwilligen Suche nach dem körperlichen Ausdruck innerer Zustände, 1988 auch mit David Bowie als Tanzpartner, dem sie Zufall oder nicht, etwas ähnlich sieht.

Jedenfalls haben ihre Auftritte auch immer etwas Pop-Musikalisches und selten ist ihr das so beeindruckend gelungen wie in "Battleground". Zu elektronischem Afro-Funk und treibenden Gitarrenriffs, zu House und Techno kehrt sie dabei das Innere nach Außen, vertauscht Vorwärts mit Rückwärts, Oben mit Unten. Dabei lotet sie vor farbigem Hintergrund und orange-rot abgezirkeltem Schlacht-Feld eine enorme Bandbreite abgehackter, rhythmischer Bewegungen aus, getragen von faszinierender Arm- und Beinarbeit.

In irrwitzigem Tempo, irgendwo zischen mechanischem Wesen und comichafter Übertreibung, eine Krazy Kat, so der Name einer Reihe von Comic-Erzählungen aus den Dreißigern.

Der Zuschauer ist fasziniert von der Körperbeherrschung, Akrobatik und Zielstrebigkeit, davon, wie sich langjährige Erfahrung mit der steten Suche nach dem Neuen vermischt. Zwischendurch trinkt Lecavalier einen Schluck Wasser - ein Hinweis darauf, wie anstrengend der Tanz in diesem engen Kostüm sein muss und gleichzeitig postmoderner Kommentar zu den Produktionsbedingungen. Das ist eine Störung der Illusion, die dazugehört.

Zu dieser Einbrecherin in das Haus der Konventionen gesellt sich irgendwann ein männlicher Doppelgänger, ein Herausforderer, den Lecavalier für groteske Verfolgungsjagden und den immerwährenden Kampf der Geschlechter benötigt. Wild windet sie sich unter dessen Griff, zugleich Slapstick und Verzweiflung, ein subtiler Humor schimmert durch. Licht und Kostüme verstärken die Eindrücke.

In einer der verblüffendsten Szenen bewegen sich die Tänzer mit den Beinen nach oben vor der Wand am Bühnenende, ihre Existenz scheint auf den Kopf gestellt wie ihre Köper. Am Ende scheinen sie so etwas wie friedliches Miteinander zu finden, aber wenn sie sich auf dem Boden drehen, ist der andere doch mehr ein Hindernis. Schließlich umschließt sie die Dunkelheit. Der begeisterte Jubel im ausverkauften Haus galt sowohl dem Stück als auch der Tänzerin, die zu den ganz Großen gehört.

(RP)
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